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Augenblicke im Straßenverkehr

23.08.2014 09:45 Uhr
Augenblicke im Straßenverkehr
Lassen sich Missverständnisse zwischen Mensch und autonomen Fahrzeugen vorhersagen und verhindern? Das untersuchen Wissenschaftler im Förderprojekt Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung
© Foto: Daimler und Benz Stiftung

Über Blinker, Warnblinker, Bremslicht oder Lichthupe werden Signale gesandt. Dies kann auch ein autonomes Fahrzeug wahrnehmen. Doch wie steht es mit Gesten, Blicken oder das Winken eines Autofahrers?

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Was besagen Gesten, Blicke oder das Winken eines Autofahrers? Gibt es kulturelle Unterschiede in der Kommunikation zwischen Verkehrsteilnehmern, die ein autonomes Fahrzeug berücksichtigen müsste? Die Daimler und Benz Stiftung fördert im Projekt Villa Ladenburg die Auseinandersetzung mit derlei Fragestellungen rund um das automatisierte Fahren. Dafür wird ein Team von über 20 Wissenschaftlern, die sich in ihren Forschungsaktivitäten intensiv mit dem autonomen Straßenverkehr befassen, zwei Jahre zusammenarbeiten.

Der Mensch und seine Botschaften

Verkehrsteilnehmer, egal ob Autofahrer, Fußgänger oder Radfahrer, verständigen sich häufig spontan und situativ. „Der Mensch [...] orientiert sein Denken und Handeln an einem Schema und schließt so auf das Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers“, erklärt Prof. Dr. Berthold Färber vom Institut für Arbeitswissenschaft der Universität der Bundeswehr München, Psychologe und externer Experte des Förderprojekts Villa Ladenburg. „So wird einer älteren Person ein anderes Verhalten als einem Kind zugeordnet oder einem Sportwagenfahrer ein anderer Fahrstil als dem einer Limousine.“ Und läuft ein Fußgänger zielstrebig auf einen Zebrastreifen zu, stellt sich der Autofahrer auf dessen mögliches Queren ein. Er nimmt die Handlung anhand des Bewegungsmusters vorweg.

Diese gelernten Mechanismen spielen im Straßenverkehr eine große Rolle – insbesondere im unteren Geschwindigkeitsbereich innerhalb von Städten. So versichert sich beispielsweise ein Fußgänger durch Blickkontakt mit dem Autofahrer, ob er wahrgenommen wurde und die Kreuzung nun gefahrlos überqueren kann. Wendet die Zielperson ihren Blick ab, heißt das für den Fragenden, dass sie ihn entweder nicht gesehen hat oder aber nicht auf die Verhandlung eingehen möchte. Eine positive Geste, ein Zunicken oder ein Winken zeigt die Bereitschaft zur Kooperation.

Begegnungen im Mischverkehr

Wenn nun Fahrer in herkömmlichen Autos auf automatisierte Fahrzeuge treffen, entfällt diese zwischenmenschliche Kommunikation. Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre nach Färber die Kennzeichnung autonomer Fahrzeuge während der Übergangsphase im gemischten Verkehr: „Das kann Irritationen vorbeugen und unter Umständen einen positiven Marketingeffekt haben.“ Allerdings bestünde auch die Gefahr unerwünschter Eingriffe durch Dritte – wenn das Stoppen oder Behindern eines autonomen Fahrzeugs zum Beispiel ein gesellschaftlicher Zeitvertreib würde.

„Wir untersuchen heute, ob sich typische Mensch-Roboter-Missverständnisse vorhersagen lassen“, erklärt Färber, „und wie Menschen mental auf das absolut regelkonforme Verhalten automatisierter Fahrzeuge reagieren.“ So beschäftigen sich die Wissenschaftler des Förderprojekts Villa Ladenburg der Daimler und Benz Stiftung mit neuen Kommunikationsformen für einen effektiven Informationsaustausch. Nach Färber sollten autonome Fahrzeuge künftig in der Lage sein, Gesten anderer Verkehrsteilnehmer zu erkennen, zu interpretieren und schließlich sogar Feedback durch Blinken oder auch ein Lichthupensignal zu geben. Außerdem benötigt ein "Fahrroboter" einen deutlich erkennbaren Fahrstil, den ein Mensch sofort einschätzen kann. Bei dichtem Verkehr müsste er beispielsweise eine ausreichend große Lücke entstehen lassen, um ausreichend Sicherheit für ein gefahrloses Einfädeln zu vermitteln.

Hupen gleich Hupen?

Die Forscher untersuchen zudem, wie sich kulturelle und landestypische Unterschiede in der informellen Kommunikation und Erwartungshaltung auf die Reaktion eines autonomen Fahrzeugs übertragen lassen. Während in Deutschland ein Einscheren auf eine dicht befahrene Straße ohne das informelle Einverständnis des Anderen nur schwer möglich ist, wird in Südeuropa in solchen Verkehrssituationen beispielsweise keine Rückmeldung erwartet. Die Absichtserklärung des Einfädelns wird insbesondere über eine beschleunigte Fahrweise kommuniziert und durch Hupen begleitet. Ein Hupsignal in China wird hingegen vorwiegend als Gruß wahrgenommen. Die in Mitteleuropa eingesetzten Signale wie Blickkontakt, Nicken und Handzeichen spielen in den USA sogar eine untergeordnete Rolle: Der Verkehr fließt dort gleichmäßiger und es werden weniger Spurwechselmanöver vorgenommen.

Auf den Weg bringen

Die Daimler und Benz Stiftung schafft den Rahmen für die Bearbeitung der gesellschaftlichen Fragen zur autonomen Mobilität von morgen. Parallel zur technologischen Entwicklung identifizieren die vernetzt arbeitenden Wissenschaftler des Förderprojekts Villa Ladenburg die relevanten Themen. Ein Weißbuch soll nach Ende der Förderung als Wissensbasis für Wirtschaft, Politik und Forschung zur Verfügung stehen.

(se)

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