Der klägerische Passat-Fahrer wollte innerorts auf einer Vorfahrtsstraße nach links in die dortige Straße abbiegen. Der beklagte Polo-Fahrer fuhr mit mindestens 80 km/h in entgegengesetzter Richtung. Der Passat wurde hinten rechts von der Front des Polos getroffen. Der Passat-Fahrer wollte vom Polofahrer Schadenersatz.
Das Kammergericht Berlin stellte zunächst grundsätzlich fest: Auch bei überhöhter Geschwindigkeit eines Bevorrechtigten sei davon auszugehen, dass der Linksabbieger seine Wartepflicht verletzt habe.
Aber, schränkte das Gericht ein, überschreite der entgegenkommende Bevorrechtigte die innerorts zulässige Geschwindigkeit mit – mindestens – 80 km/h deutlich, dann wirke sich das auf die Verschuldensquoten aus. Nach Ansicht der Richter ist dann eine Quote von zwei Dritteln zulasten des Bevorrechtigten, also des Passat-Fahrers, angemessen.
Dabei führte das KG aus: Der Wartepflichtige dürfe nur fahren, wenn er erkennen könne, dass der Vorfahrtberechtigte weder gefährdet noch behindert werde. Daher sei es nicht erlaubt, knapp vor dem Herannahen noch abzubiegen - selbst wenn der Gegenverkehr nicht abbremsen müsse.
„Es genügt also nicht, wenn das Fahrzeug im Gegenverkehr unverzögert knapp hinter der Heckstoßstange vorbeifahren könnte; vielmehr bedarf es eines deutlichen Abstandes, denn andernfalls würden verantwortungsbewusste, umsichtige Fahrer dennoch zu einem stärkeren Abbremsen genötigt“, heißt es im Urteil.
Kammgericht Berlin
Aktenzeichen 22 U 122/17
(tc)