„Deutschland missachtet EU-Führerscheinrecht.“ Diese Ansicht vertrat der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Philippe Léger, am 12. Mai in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache C-372/03 (EU-Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland zur Vereinbarkeit der deutschen Fahrerlaubnis-Verordnung mit EU-Recht). Nach Ansicht des Generalanwalts wurde gegen die Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG vom 29. Juli 1991 verstoßen, da in Deutschland
– Lkw der Unterklassen C1 oder C1 + E (oder C1E) im Rahmen der Fahrer-Berufsausbildung schon ab 17 Jahren (statt erst ab 18) geführt werden dürfen
– die Inhaber von Führerscheinen der Lkw- und Busklassen C1E und D berechtigt sind, Fahrzeuge der Klassen D + E (oder DE) zu führen
– die Führerscheinbesitzer der Klassen C1, C1E, C oder C + E (oder CE) Fahrzeuge der Busklasse D für Leerfahrten im Inland führen können, wenn diese Fahrten nur der Überprüfung des technischen Zustands eines Kfz oder seiner Überführung an einen anderen Ort dienen
– unter Bußgeldandrohung die obligatorische Registrierung der von anderen EU-Staaten ausgestellten Führerscheine vorgesehen ist, wenn deren Inhaber ihren Wohnsitz in Deutschland haben und ihren Führerschein noch nicht länger als zwei Jahre besitzen (wie schon in anderen EuGH-Urteilen begründet, ist diese Führerschein-Registrierung eine Formalität, die gegen den Richtlinien-Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung verstößt)
– Führerscheine, die für Inhaber mit Wohnsitz in der Bundesrepublik in einem anderen Unionsland ausgestellt wurden, gegen einen deutschen Führerschein umgetauscht werden müssen, damit darin bestimmte Angaben vermerkt werden können. Die Richtlinie aber, so betonte Generalanwalt Léger, will den Führerscheinumtausch ausdrücklich abschaffen.
Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts sind für die Richter des obersten EU- Gerichtshofes nicht bindend. Sie folgen ihnen aber in 70 Prozent der Fälle.
(eva, 13.6.05)