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Sachsen stemmt sich gegen den Trend

04.05.2018 11:15 Uhr
Auftakt auf zwei Rädern: Andreas Grünewald eröffnete die Versammlung in Chemnitz auf einer Elektro-Schwalbe
© Foto: Thomas Cyganek

Seit recht langer Zeit hat der Fahrlehrerverband Sachsen in einem Jahr mehr voll zahlende Mitglieder hinzugewonnen, als er Abgänge wegen Geschäftsaufgabe oder dem Erreichen des Ruhestandes zu verzeichnen hatte. Diese positive Entwicklung verkündete dessen Vorsitzender Andreas Grünewald am Verbandstag in Chemnitz.

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20 Mitglieder haben im vergangenen Jahr den sächsischen Verband aus den oben genannten Gründen verlassen, 22 Fahrlehrer sind neu hinzugekommen. Von 29 Schnuppermitgliedern blieben 15. Insgesamt hat der Verband nun 359 Fahrlehrer in seinen Reihen. So liest sich die Trendumkehr in nüchternen Zahlen. Für Andreas Grünewald ist das ein besonderer Grund zur Freude: „Das ist auch eine Bestätigung der guten Arbeit, die der Verband leistet“, sagte er. 

Zum Beispiel beim Modellprojekt AM15, dass kurz vor dem Verbandstag um zwei Jahre verlängert wurde. „Das ist auch Ihr Verdienst“, lobte er die Fahrlehrer in Chemnitz. Grünewald zeigte seine Freude über die Fortführung des von Sachsen maßgeblich angeschobenen Verkehrssicherheitsprojekts anschaulich: Auf einer Elektro-Schwalbe, einer Neuauflage des Kultrollers aus der ehemaligen DDR, fuhr er unter dem Beifall der Fahrlehrer in den Sitzungssaal und eröffnete die Veranstaltung mit den passenden Worten: „Wir sind Moped.“

„Blitzsaubere Unfallbilanz“  

Auf AM15 und weitere Brennpunkte der sächsischen Verkehrspolitik ging Dr. Georg Freytag ein. Der Referent in Sachsens Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr begrüßte zunächst die zweijährige Verlängerung des Modellprojekts AM15. „Das war seit September ein Anliegen Sachsens“, erinnerte er. Es sei bedauerlich, dass dies so lange gedauert habe. Das habe zu großer Verunsicherung bei Fahrschülern und Fahrlehrern geführt.

„Die bisherige Evaluation hat ein differenziertes Bild ergeben“, sagte Freytag. Während das BMVI von einem „uneindeutigen Ergebnis“ spreche und sich von der weiteren Auswertung des Projekts Aufschluss erhoffe, würden die Modellprojektländer das Ergebnis anders interpretieren: „Vor allem im ländlichen Bereich wurde die Mobilität verbessert und die Unabhängigkeit von ÖPNV und Eltern größer“, sagte er. Es habe „keine Einbußen bei der Verkehrssicherheit“ und wenig Unfälle gegeben. Freytags positives Fazit: „Die Erfahrungen mit AM15 machen verkehrssicherer bei späterem A1-Erwerb.“ Mit Blick auf die höhere Risikobereitschaft von 15-Jährigen bat er die Fahrlehrer dennoch, bei der Ausbildung den Fokus auf die Gefahrenlehre zu legen.

Andreas Grünewald dankte Freytag für die Unterstützung bei AM15 und wies auf ein Symposium zum Thema „Wie geht’s weiter mit AM15?“ hin. Der sächsische Fahrlehrerverband wird am 19. August, dem Landes-Verkehrssicherheitstag am Sachsenring, Fahrlehrern das nötige Handwerkszeug für die AM15-Ausbildung liefern, „um bei dieser blitzsauberen Unfallbilanz zu bleiben“. Nach Grünewalds Ansicht muss dieser Erfolg auch Auswirkungen auf ein mögliches Begleitetes Fahren mit 16 haben, das nun „wohl mit Nachdruck etabliert wird“. Mit ihm sei das nur bei einem zeitgleichen Ausschluss von AM zu machen, stellte er klar.

Fast alle würden AM15 weiterempfehlen

Andre Schimera vom Dekra stellte die Neuigkeiten aus dem Prüfgeschehen in Sachsen 2017 vor. 7,8 Prozent mehr Theorie-Prüfungen und 4,0 Prozent mehr praktische Prüfungen hat es seinen Angaben zufolge im vergangenen Jahr gegeben. Die wirtschaftliche Entwicklung, AM15 und Migranten seien für dieses Prüfungsplus ausschlaggebend, aber auch die „gesunkene Erfolgsquote bei Umschreibungen“. Die Erfolgsquoten insgesamt sanken von 56,9 auf 55,9 Prozent in der Theorie und von 67,9 auf 67,2 in der Praxis.

Das Modellprojekt AM15 bezeichnete er als Erfolg sowie als Grundlage für die Mobilität im ländlichen Raum. 2017 habe es im TP-Gebiet zehnmal so viele Prüfungen gegeben wie 2012, nämlich über 8.000. „Und durch Sie, die Fahrlehrer, erhalten die Bewerber eine fundierte Ausbildung in Theorie und Praxis“, lobte er. Schimera ging in seinem Vortrag noch einmal auf die IFES-Studie ein, die mögliche negative Auswirkungen von AM15 erkannt hatte. Bei näherem Hinsehen sei allerdings eine gegensätzliche Deutung der Studienergebnisse möglich: Der prozentuale Anteil von AM15-Teilnehmern als Unfallverursacher habe in Sachsen 2016 bei nur 0,9 Prozent gelegen und sei leicht rückläufig. Außerdem seien die Unfallzahlen und die Delikthäufigkeit im Vergleich zu AM16 sogar abgesunken, setze man diese ins Verhältnis zur Anzahl der ausgehändigten Fahrerlaubnisse. Schimera erwähnte auch die BASt-Studie, die den AM15-Anteil „verkehrsauffälliger Jugendlicher“ als „sehr gering“ beschrieben hatte.  Insgesamt habe „Moped mit 15“ eine hohe Akzeptanz in den Modellländern. 99 Prozent aller früheren Teilnehmer würden es empfehlen.

Gute Stimmung in der Branche

Auch Dieter Quentin, der 1. stellvertretende BVF-Vorsitzende, ging auf AM15 ein: „Die Westländer schauen sehr neidisch in den Osten“, sagte er, „wir müssen mit einer Mofa-Ausbildung klarkommen und lesen nahezu wöchentlich in den Tageszeitungen, dass wieder Jugendliche mit frisierten Mofas erwischt wurden. Wir möchten, dass eine gute Ausbildung und die unabhängige Prüfung für AM15 auch im Westen umgesetzt wird und hätten da gern eine Veränderung.“ Er hoffe auf eine positive Evaluation und freue sich, dass das Modellprojekt weitergeführt werde.

Insgesamt herrsche „gute Stimmung in der Branche“, stellte Quentin fest. Es gebe wenig Klagen aufgrund mangelnder Arbeit. Die Fahrschulen seien gut ausgelastet, auch durch BKF und Seniorentraining. 1.940.853 Erst- und Wiederholerprüfungen habe es 2017 deutschlandweit gegeben (2016: 1.822.987). „Die Sorge um genügend Schüler gibt es nicht mehr“, sagte er, „eher die Sorge um genügend Fahrlehrer“. Obwohl die Fahrlehrerausbildungsstätten derzeit gut gefüllt seien, stelle der Fahrlehrermangel ein Risiko dar - insbesondere  im Lkw- und Busbereich herrsche großer Mangel, der sich in den nächsten Jahren noch verstärken könnte. Quentin appellierte deshalb an die Fahrschulinhaber, Förderungen zu nutzen, um „ihre guten Kräfte“ weiterzubilden. „Pflegen und bezahlen Sie sie Ihre Mitarbeiter anständig.“ 

„Wäre der Berufsstand eher eingebunden gewesen, bräuchte man nun nicht groß reparieren“, monierte Quentin mit Blick auf die aktuellen Korrekturen bei der Fahrlehrerrechtsreform. Er vermisste Klarstellungen beim Thema Freie Mitarbeiterschaft. Die angrenzenden Rechtsgebiete seien dabei nicht ausreichend berücksichtigt. Bei den Themen Kooperationen und Überwachung wünschte Quentin sich Klarstellungen bei den kritischen Punkten. In den Bereichen Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren seien ebenfalls klare Vorgaben des Gesetzgebers nötig, forderte er. Beides müsse in der Zukunft Teil der Ausbildung und Prüfung werden, außerdem müsse die EU die Automatikregelung anpassen. Hier sei eine Rückkehr zum Ausbildungssystem der 70er und 80er Jahre (Automatik- plus sechs Stunden Schaltausbildung) „gut vorstellbar“.

„Programm zur Gefahrenwahrnehmung etabliert“

27.500 junge Leute hätten bis heute die AM15-Aubildung absolviert - die im Übrigen auch bedeute, mit drei- oder vierrädrigen Kfz umgehen zu können, betonte Andreas Grünewald im internen Teil der Mitgliederversammlung. „Diese Verkehrssicherheitsarbeit lassen wir uns von niemandem kaputtmachen.“ Der Vorsitzende tadelte in diesem Zusammenhang einige sächsische Fahrerlaubnisbehörden, die dubiose, selbst erstellte Verzichtserklärungen verbreitet hätten, sowie die IFES-Begleitstudie, die „Haken und Ösen“ habe und wohl „schnell fertiggemacht“ wurde, wie eine Nachfrage seitens des Verbands ergeben hatte.

„Unsere Verbandsarbeit kann zum Erfolg geführt haben“, vermutete Grünewald, jedenfalls habe man ein „Programm zur Gefahrenwahrnehmung“ etabliert. „Genau wie ich damals sind die jungen Leute heute mit dem Moped unterwegs, auf dem Land und in der Stadt“, kommentierte er den „Run“ auf AM15. „Mit einem Unterscheid: Die haben heute eine Go-Pro-Kamera am Helm.“

Wichtig war den sächsischen Kollegen außerdem der Verweis auf ihre eigens auf das Thema Fahrerassistenzsysteme, Elektromobilität und hochautomatisierte Fahrfunktionen zugeschnittene Individualschulung. Hier konnten die Sachsen auch schon Interessierte aus Hessen, Bayern und dem Saarland begrüßen. Bei dieser Spezialschulung werden – mit Absicht – nur drei Kollegen den ganzen Tag mit diesen neuen Techniken konfrontiert. Qualität statt Quantität lautet hier die Formel für ein Verständnis dieser neuen Systeme, mit denen Fahrlehrer schon deshalb umgehen können sollten, weil die neuen Prüfungsfragen ab Oktober 2018 sich mit diesen Techniken beschäftigen.

(tc)


Mitgliederversammlung Sachsen 2018

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