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„Wir werden noch lange als Fahrlehrer gebraucht“

17.05.2018 12:21 Uhr
"Riesenschritt nach vorne": Kurt Bartels lobte in seinem Geschäftsbericht die Verkehrsinstitute Bielefeld und Düsseldorf
© Foto: Ulrich Lieber

Wie sieht es aus bei der Fahrlehrerrechtsreform und beim autonomen Fahren? Vor allem Zukunftsthemen beschäftigten die nordrheinischen Fahrlehrer bei ihrem Verbandstag in Köln.

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Begonnen hatte die Versammlung mit der Erkenntnis, dass zum ersten Mal seit Jahrzehnten die ministerielle Ebene nicht vertreten war. „Das bedauern wir sehr“, sagte Kurt Bartels, der Vorsitzende des Fahrlehrerverbands Nordrhein. Ministerialrat Dieter Kettenbach, der zum 1. August in den Ruhestand gehen wird, sagte aus privaten Gründen ab – in Köln und bei den westfälischen Kollegen. Bartels: „Was uns sehr stört und irritiert, ist, dass kein Vertreter benannt worden ist. Ich denke, so große Verbände eines sehr wichtigen Berufsstandes haben es verdient, dass sie zumindest auf der Verwaltungsebene des Ministeriums vertreten sind.“

Noch viel Interpretationsspielraum beim autonomen Fahren

Das autonome Fahren ist in aller Munde, doch was tatsächlich hinter den Versprechungen der Autoindustrie steckt, das machte Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der Firma FSD Fahrzeugsystemdaten, deutlich. Der amtlich anerkannte Sachverständige erklärte, was das Fahrzeug in Zukunft leisten kann, aber vor allem auch, was es nicht leisten kann.

„Dass das Auto autonom fährt, das ist eine völlig falsche Bezeichnung“, sagte Bönninger, denn Autonomie sei dem Menschen vorbehalten. Der Automatisierungsgrad werde zwar höher, aber das Auto werde nicht entscheiden, ob es das Kind mit dem Skateboard über die Straße lasse und die Oma nicht. Letztlich solle der Nutzer selbst entscheiden können, wie viel Automatisierung er einsetzt und was er abschalten möchte.

Während der Fahrer früher den Ausfall eines Systems schnell selbst ausgleichen konnte, weil er auch selbst zu 100 Prozent gefahren ist, könne dies in Zukunft zu einem Problem werden. „Jetzt wollen wir ja Funktionen einbauen, die es uns erlauben, dass wir uns abwenden dürfen. Dann bin ich mal gespannt, ob ich dann einen solchen Fehler so schnell kompensieren kann. Ich brauche zwischen drei und 40 Sekunden, um überhaupt wieder  das Verkehrsgeschehen um mich herum aufzunehmen“, verdeutlichte er die Komplexität einer solchen Situation. Ingenieure seien noch nicht in der Lage, das Fahrzeug in solchen Fällen für 40 Sekunden sicher durch den Verkehr zu navigieren.

Die unverzügliche Übernahme der Fahrzeugsteuerung sei aber gesetzlich vorgeschrieben, wenn das automatisierte System den Fahrer dazu auffordere. Allerdings lasse dieses Gesetz noch sehr viel Interpretationsspielraum und es stehe bereits im Gesetz, dass es 2019 eine Revision geben werde. Bönninger forderte deshalb die Fahrlehrer auf, hier fleißig mitzudiskutieren und ihr Know-how einzubringen. Denn in Deutschland dürfe nicht das passieren, was derzeit bei einigen tödlichen Tesla-Unfällen passiert sei. Dazu zeigte Bönninger das Video einer vollautomatisierten Tesla-Fahrt in China, die tödlich endete. „Wir haben eine ganze Reihe von Tesla-Unfällen. Dieses Fahrzeug ist nicht ausgereift genug.“

Bartels nahm die Ausführungen von Bönninger mit einer gewissen Erleichterung entgegen. „Ich bin sehr froh, dass sich Experten damit auseinandersetzen. Draußen gibt es so viele Fehlinformationen, die für Verunsicherung sorgen. Wie werden noch lange als Fahrlehrer gebraucht.“

Hohes Prüfaufkommen verursacht personelle Engpässe

Über die aktuellen Zahlen des TÜV Rheinland berichtete der Geschäftsführer Ralf Strunk. Die Zuwanderung habe dafür gesorgt, dass der demographische Wandel aufgefangen wurde. Zehn Prozent aller Theorieprüfungen in Klasse B werden in Hocharabisch abgelegt. Das Problem sei, dass die Flüchtlinge keine Fahrstunden nehmen müssten und oft gar nicht prüfungsreif seien. Das wiederum bedeute, dass der Prüfling schon bald einen zweiten Versuch unternehmen möchte. Das sei mitverantwortlich für das wahnsinnig hohe Prüfungsaufkommen. „Wir haben es geschafft, durch viele Gespräche hier etwas zu verändern. Jetzt geht es darum, dass Sie als Fahrlehrer entscheiden können und auch sollen: 'Ist der überhaupt fähig, eine Prüfung zu bestehen?'“, sagte Strunk unter dem Applaus der Fahrlehrer. Denn die Nichtbestehensquote sei mit der Steigerung der Prüfungen drastisch nach oben gegangen und liege bei 45 Prozent.

Das hohe Prüfungsaufkommen habe für einige personelle Engpässe gesorgt, die für den TÜV nicht vorhersehbar gewesen seien. „Mit dieser Situation haben wir nicht gerechnet“, sagte Strunk. „Wir haben im Jahr 2017 zeitweise Prüfstellen geschlossen, um Fahrerlaubnisprüfungen durchführen zu können.“  Bereits im Jahr 2016 habe man damit begonnen, 22 neue Prüfingenieure einzustellen und auszubilden; das habe der TÜV im Jahr 2017 mit weiteren 20 fortgeführt, um den Bedarf abzudecken.

Ein wachsendes Problem ist für den TÜV die „Führerschein-Mafia“. Die Manipulationen bei den theoretischen Prüfungen nehmen zu, denn die Prüflinge werden mit technischen Mitteln durch die Prüfung geleitet. „Das Schlimme dabei ist: Das ist eine mafiöse Struktur, da wird richtig Geld bezahlt, bis zu 1500 Euro.“ Strunk bat die Fahrlehrer um Unterstützung, um dagegen vorzugehen. Denn es werde dort zum Teil sogar mit Gewalt gedroht, um die Prüfer unter Druck zu setzen. „Das ist kriminell.“

NRW: Vernünftiger Weg in der Überwachung

Kurt Bartels hatte sich Gedanken über die Zukunft des Berufsstandes gemacht und stellte als 2. stellvertretender Bundesvorsitzender den Vortrag der Bundesvereinigung vor. Die Fahrlehrerrechtsreform sei abgeschlossen, aber es zeichne sich ab, dass es weiterhin spannend bleibe. Er forderte die Fahrlehrer auf, Rückmeldungen zur praktischen Umsetzung des Gesetzes zu geben, denn es seien gesetzgeberische Veränderungen geplant. „Nach der Reform ist vor der Reparatur.“ Der Gesetzgeber habe erkannt, dass einige Dinge nicht stimmig sind und angepasst werden müssen.

Zentraler Punkt der Entbürokratisierung sei der Wegfall des Tagesnachweises gewesen. „Dann kam aber gleichzeitig, dass die eigene Arbeitszeit und die der Mitarbeiter in geeigneter Form nachgewiesen werden muss. Deshalb machen 90 Prozent den Tagesnachweis einfach weiter.“ Insofern sei die Entbürokratisierung eine „Mogelpackung“.  Der Ausbildungsnachweis darf zwar vom Fahrlehrer digital unterschrieben werden, aber nicht vom Fahrschüler. Wäre dies möglich, dann könnten die Fahrschulen nur noch mit Dateien arbeiten, die dann auch im Rahmen einer Überwachung vorgehalten werden könnten. „Hier werden wir mit der Bundesvereinigung den Gesetzgeber anhalten, das im Gesetz entsprechend zu verändern.“

Zur formalen Überwachung kommt die pädagogische Überwachung, für die in NRW ein vernünftiger Weg gefunden worden sei. „Sie ist von der zeitlichen Gewichtung richtig gesetzt, derjenige, der kommt, kommt für 45 Minuten und wird auch angekündigt.“ Die einzelnen Qualitätskriterien, die überprüft werden müssen, seien in eine vernünftige Form gegossen worden, und es werde das abgefragt, was aus Fahrlehrersicht notwendig ist. „Wir haben einen geschickten Weg gefunden, die Überwachung auf die richtige Bahn zu lenken, und ich bin davon überzeugt, dass die Behörden, die sich der Sachverständigen bedienen, den richtigen Weg gehen“, sagte Bartels.

Er forderte weiter, dass der Umgang mit Fahrassistenzsystemen gelernt werden muss. Der Umgang mit der modernen Technik sei eine Riesenherausforderung für die Menschen, auch für die jungen Menschen. „Das muss gelernt werden und auch geprüft werden.“ Bis zum automatisierten Fahren werde es wohl noch lange dauern, deshalb müssten auch die „Basics“ weiter ausgebildet werden.

Eine ganz wichtige Forderung der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände richtet sich schließlich an die EU. Diese müsse endlich ihre restriktive Haltung zur Automatikregelung aufgeben, betonte Bartels.  Darin sieht der Bundesvorstand einen entscheidenden Schlüssel, um die Ausbildung zu modernisieren. Viele Fahrschulen würden dann über alternative Fahrzeugantriebe nachdenken.

Golf Sportsvan ab KW 31 mit Fahrschulausstattung

Ein „neues Gesicht“ bei Volkswagen ist Jens Kotschwar, der die aktuellen Entwicklungen des Autoherstellers vorstellte. Er warnte vor der „trügerischen Sicherheit“, dass in den nächsten Jahrzehnten noch nicht viel passieren würde, denn die Digitalisierung schreite voran. Die Neuheiten seien bei Volkswagen in diesem Jahr überschaubar, aber der Touareg ist in einer leicht modifizierten Form mit vielen neuen Fahrerassistenzsystemen erhältlich. Der Wagen ist breiter und länger geworden, das kommt dem Kofferraum zugute. Der Golf Sportsvan soll in der KW 31 mit Fahrschulausstattung erhältlich sein.

Für die Fahrlehrerversicherung sprach Vorstandsmitglied Andreas Anft, der auf die aktuellen Zahlen einging. Die Zahl der Kunden sinkt, aber die Zahl der Verträge steigt leicht an. „Hintergrund ist, dass es eine Tendenz zu etwas größeren Fahrschulen gibt“, sagte Anft. Das Beitragsaufkommen sei ebenfalls etwas gestiegen, so dass das Gesamtergebnis wieder positiv sei. Rund eine Million Euro werden als Gewinn in die Rücklage wandern. „Die Fahrlehrerversicherung gehört Ihnen. Ihre Interessen werden vertreten“, versicherte er.  Als Neuerung empfahl er den „Fahrerschutz“, der den Fahrlehrer bei einem Unfall genau wie den Fahrer selbst absichert.

„Wir beraten seriös und nicht über Facebook“

In seinem Geschäftsbericht ging Bartels auf die wichtigsten Termine des abgelaufenen Geschäftsjahres ein. Zahlreiche Sitzungen des geschäftsführenden und des erweiterten Vorstandes, Besuche von Mitgliederversammlungen, Termine beim TÜV und den Ministerien sowie Fortbildungsveranstaltungen zum neuen Fahrlehrerrecht prägten die Arbeit des Verbandes. Ein besonderes Lob hatte Bartels für die Verkehrsinstitute in Bielefeld und Düsseldorf: „Schauen Sie sich mal diese Institute an, die haben wirklich einen Riesenschritt nach vorne getan.“

Mit der Landesverkehrswacht NRW wurde ein Programm unter dem Titel „Beratungsfahrten mit Senioren“ aufgelegt. Hier können sich Senioren im Rahmen einer Fahrstunde Rückmeldungen vom Fahrlehrer geben lassen. „Wir haben es geschafft, dass hier nur Verbandsfahrschulen integriert werden und auch ein vernünftiges Entgelt gezahlt werden muss.“

Die Mitgliederzahl des Verbandes sinkt, aber nicht so stark, wie Bartels befürchtet hatte. 55 Abgängen stehen 49 Zugänge gegenüber, aber der Altersbaum verschiebt sich, und das Durchschnittsalter liegt bei 57,4 Jahren. „Unser Verband unterliegt einem normalen Schrumpfungsprozess. Es sind kaum Kollegen wegen Unzufriedenheit ausgestiegen“, bilanzierte Bartels. Der Verband brauche neue Mitglieder, und dafür müssten Lösungen gefunden werden. „Wir müssen unsere Stärken deutlich machen. Wir beraten seriös – Facebook und andere soziale Medien können so etwas nicht fehlerfrei leisten.“

(lie)


Mitgliederversammlung Nordrhein 2018

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