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Zweiräder im Großstadt-Trubel

04.05.2018 17:00 Uhr
Peter Glowalla, Vorsitzender des Fahrlehrer-Verbands Berlin, ist froh: Er erwirkte für die Fahrlehrer eine Ausnahmegenehmigung für den Einsatz von Markierungskegeln
© Foto: Michael Simon

Zwei Fragen trieben die Berliner Fahrlehrer bei der Mitgliederversammlung besonders um: Welchen Umgang soll man Fahrschülern mit Fahrradschutzstreifen beibringen? Und wo kann man in einer überfüllten Großstadt Motorradschülern die Grundfahraufgaben vermitteln?

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Es war, als wollte sich die Wetterlage den Schwerpunktthemen der Mitgliederversammlung des Fahrlehrer-Verbands Berlin anpassen. Während draußen bei frühsommerlichem Sonnenschein Fahrräder und Motorräder vorbeisausten, diskutierten im klimatisierten Estrel-Hotel Fahrlehrer über die Ausbildung mit Zweirädern – am Nachmittag über Motorräder, am Vormittag über Fahrräder.

„Wir haben es zunehmend mit Fahrradschutzstreifen zu tun, die innerhalb anderer markierter Fahrstreifen angelegt sind“, führte der erste Vorsitzende des Fahrlehrer-Verbands Berlin, Peter Glowalla, ein. Geht es nach der Verbandsführung, dürften diese Radfahrschutzstreifen nur dort angelegt werden, wo die Straße mindestens sechs Meter breit ist; in der Praxis legen die Verkehrsbehörden diese aber auch bei weniger Platz an. Das führt dann unausweichlich dazu, dass Autos die Schutzstreifen „vermutlich rechtswidrig befahren oder direkt mit dem Gegenverkehr auf Kollisionskurs gehen“, sagte Glowalla. Der Verband mahnte eine verfehlte Regelung in den Verwaltungsvorschriften an. Hilfesuchend wendete sich die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) an das Bundesverkehrsministerium, doch dessen just vor der Versammlung eingetroffene Antwort habe das Thema weder richtig erfasst, noch trage sie zur Lösung bei.

Von Bressensdorf: Praktikable Lösungen für Radwege suchen

Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der BVF, kritisierte in seinem eröffnenden Vortrag die letzte StVO und setzte sich kritisch mit Fragen zu Radfahrerregelungen auseinander. Er warb dafür, die verschiedenen Radwege dennoch, so gut es geht, anzunehmen und nach praktikablen Lösungen zu suchen: „Ich weiß, dass ich mich hier im Grenzbereich bewege: Einerseits wollen wir korrekt ausbilden, andererseits, meine ich, muss die Praxis ebenfalls noch einbezogen werden in unser Verhalten.“ Prinzipiell sympathisiere er mit den Schutzstreifen. Berlin habe als erste Stadt erkannt, wie sehr der Verkehr Menschen „belastet und belästigt“.

Praxisfern empfindet von Bressensdorf die Lage Berlins in Bezug auf AM15. Die Hauptstadt ist nicht nur aus der Historie begründet eine Enklave, auch beim Mopedführerschein ist Berlin das einzige Bundesland im Osten Deutschlands, das am Modellversuch nicht beteiligt ist. Das sei schade für alle 15-Jährigen, die um Berlin herum mit ihrem Moped fahren dürften, sich bei der Einfahrt nach Berlin aber rechtswidrig verhalten. „Dabei zeigen alle Signale: es herrscht höchste Akzeptanz, die Unfallzahlen haben sich gut entwickelt und es gibt eben keine rote Blutspur, die sich durch die neuen Bundesländer zieht“, bemerkte von Bressensdorf. Er wünscht sich AM15 bundesweit.

Mit den Umsetzungen im neuen Fahrlehrerrecht zeigte sich der Bundesvorsitzende überwiegend zufrieden, auch was die Ausbildungsdauer von einem Jahr angeht: „Allen, die eine Ausbildung von 24 Monaten angedacht hatten, sei gesagt: Das hätte einen Jahrgang weniger Fahrlehrer hervorgebracht!“, mahnte von Bressensdorf an. Als Fehler hingegen stufte er es ein, dass der Gesetzgeber A2 und CE nicht mehr zur Voraussetzung in den Fahrlehrerberuf macht: „Ein Fahrlehrer muss ein Verständnis für die großen und für die einspurigen Fahrzeuge haben, wenn er Schüler im Umgang mit diesen Verkehrsteilnehmern schulen will.

Volkswagen: Angebotslücken nicht zu vermeiden

Hauptsponsor Volkswagen entsendete Ina Stangenberg nach Berlin, die im Bereich der Behörden- und Sonderfahrzeuge im Produktmarketing arbeitet. Für dieses Jahr kündigte sie in Kalenderwoche 31 den Golf Sportsvan und in KW 48 den T-Roc und den Polo in Fahrschulausstattung ab Werk an – allerdings unter Vorbehalt: Das weltweit einheitliche Prüfverfahren WLTP stellt die Automobilhersteller vor Probleme. „Es gibt aktuell keine Regelungen im Kraftfahrt-Bundesamt für Umbauten, die ab Werk ab dem 1. September 2018 vorgenommen werden. Insofern kann es sein, dass Sie zu einem Volkswagen-Partner gehen und er das gewünschte Fahrzeug nicht im Angebot hat“, berichtete Stangenberg. „Ich hoffe, dass es schnell eine Regelung bis Ende Mai/Anfang Juni gibt. Denn das ist weder schön für Sie noch für Volkswagen.“

Neu ins Angebot der Fördermaßnahmen hat Volkswagen die „Deutschland-Garantie“ aufgenommen. Entscheidet sich ein Fahrlehrer für den Kauf eines Euro-6-Diesels und ist in Zukunft von einem Einfahrverbot betroffen, garantiert der Hersteller, das Fahrzeug zum DAT-Preis zurückzunehmen. „Das Angebot klingt verlockend, aber wenn es dann soweit sein sollte, dass der Verbraucher von einem Einfahrverbot betroffen ist, dann wird der DAT-Preis so weit unten sein, dass auch das kein günstiges Angebot mehr ist“, gab Glowalla zu bedenken. „Vielleicht hat VW da noch ein lukrativeres Angebot demnächst.“

Dekra: Gesunkene Erfolgsquoten

Rund 293.000 Theorieprüfungen und damit ca. 18.000 mehr als im Vorjahr nahm die Dekra in ihrem Prüfungsgebiet in den ostdeutschen Bundesländern ab. Das entspricht einem Anstieg von 6,7 Prozent. Berlin lag mit 5,7 Prozent leicht unter der Entwicklung – bei den praktischen Fahrprüfungen, die um 7,3 Prozent nach oben kletterten, zog Berlin den Schnitt von 4,9 Prozent in den sechs Bundesländern nach oben. Wachstumstreiber waren insbesondere die Führerscheinklassen B/BE mit 9,2 Prozent Zuwachs und AM15 mit 14,9 Prozent.

Auch bei den Erfolgsquoten liegen die Berliner auf Rang eins im Ländervergleich: 57,6 Prozent absolvierten die Theorie-, 68,6 Prozent die praktische Prüfung. Jedoch verschlechterten sich beide Werte um rund ein Prozent – dies im Gleichklang mit den anderen Bundesländern.

Die gesunkene Erfolgsquote ist einer von drei Gründen, die Helmut Enk, Landesstellenleiter der Dekra, für die kräftig gestiegenen FE-Prüfungen gefunden hat. Hinzu kommt eine Vielzahl an Umschreibungen ausländischer Fahrerlaubnisbewerber (zehn Prozent der Prüfaufträge). „ Und wir verzeichnen auch, dass zunehmend ältere Bewerber die Fahrerlaubnis erwerben“, erzählte Enk.

TÜV Rheinland: Umschreibe-Prüfungen auf konstantem Niveau

Auch Andreas Röse von TÜV Rheinland beobachtete einen „rasanten Anstieg“ der Prüfungszahlen, die durch Umschreibungen ausländischer Fahrerlaubnisse geprägt waren und die demografische Entwicklung ab 2015 ins Gegenteil verkehrte. „Dank einer guten Zusammenarbeit mit Ihnen ist es uns gelungen, den Andrang zu meistern – auch weil Sie Verständnis dafür hatten, wenn sich mal ein Termin etwas verzögert hat“, bedankte sich Röse bei der Fahrlehrerschaft.

Den vielerorts herrschenden Eindruck, die Nichtbestehensquote bei den Umschreibungen sei in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen, konnte Röse nicht verifizieren: „Statistisch ist sie das bei uns nicht! Die Lage ist nicht so extrem wie gefühlt.“ Den TÜV-Zahlen zufolge stiegen die Umschreibungen gemäß §31 FeV zwar von 666 im Jahr 2014 rasant an auf 5.000 im vergangenen Jahr, die Quoten haben sich seit 2014 nur minimal verschlechtert (2014: 39,1 Prozent; 2015: 40,4 Prozent, 2016: 36,6 Prozent; 2017: 41,9 Prozent).

Mit Blick auf die Zukunft erwartet Röse einen steigenden Bedarf in der Schulung von Fahrerassistenzsystemen. Sie gestatten es älteren Menschen, länger am Straßenverkehr teilzunehmen – gleichwohl müssen junge und alte Fahrer, wie beispielsweise auch ein Pilot, im Notfall wissen, welche Schritte sie zur Gefahrenabwehr einleiten können. Diese Fähigkeiten müssen Fahrlehrer vermitteln und der TÜV anschließend prüfen. „Der Fahranfänger muss beides beherrschen: Er muss Fahrerassistenzsystem nutzen können, aber auch ohne sie zurechtkommen. Systeme müssen zu- und abschaltbar sein“, sagte Röse.

Dekra-Akademie: Antworten rund um die MPU

Weil sich um die medizinisch-psychologische Untersuchung Halbwahrheiten ranken, hatte der Berliner Fahrlehrer-Verband Jürgen Rosenberg eingeladen, der als Verkehrspsychologe bei der Dekra-Akademie arbeitet. Er legte dar, unter welchen Bedingungen Verhaltensauffällige zur MPU geschickt werden: unter anderem ab einer Alkoholfahrt von 1,6 Promille (auch auf dem Rad), bei wiederholten Alkohol-Verstößen, bei Fahrt unter Drogen, aber eben auch bei 50 Parkdelikten innerhalb von zwei Jahren. Alkohol sei mit 47 Prozent zwar immer noch der häufigste Grund für die Anordnung einer MPU, aber der Anteil habe früher bei 87 Prozent gelegen, führte Rosenberg aus. Sehr in Mode gekommen seien Drogen und Medikamente, wegen der inzwischen jeder vierte Delinquent zur MPU geschickt wird.

Bei der MPU arbeiten die Gutachter mit Fragebögen, medizinischen und psychologischen Untersuchungen sowie mit einem physiologischen Leistungstest. Dabei unterliegen sie ganz klaren Beurteilungsleitsätzen, die empirisch messbar sein müssen, führte Rosenberg aus.

Fahrlehrerversicherung: Geld anlegen macht keine Freude

Den offiziellen Teil beschloss Stefan Kottwitz aus dem Vorstand der berufsständischen Fahrlehrerversicherung. Trotz abnehmendem Kundenstamm konstatierte er einen leicht gestiegenen Vertragsbestand. Die Schadenzahlungen seien um rund ein Prozent gestiegen, das hänge auch damit zusammen, dass höhere Reparaturkosten zu verzeichnen waren. Eine Frontscheibe zu wechseln sei heutzutage aufgrund der Sensoren und Kalibrierungen mit erhöhtem Aufwand verbunden. Außerdem sinke das Kapitalanlageergebnis wegen der Zinsentwicklung: Wenn die Versicherung Geld über 100.000 Euro anlegen wolle, zahle sie dafür 0,4 Prozent Strafzins. „Eine ziemlich, wie ich finde, perverse Entwicklung“, sagte Kottwitz.

Interner Teil: Ausnahmegenehmigung für Grundfahraufgaben

Nach dem Mittagsessen legte der Vorsitzende Peter Glowalla im internen Teil den Jahresbericht für 2017 vor. Zum „20-jährigen Dauerthema“ habe er endlich eine „erfreuliche Nachricht“: Die Senatsverwaltung wird den Fahrlehrern eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wonach der Einsatz von sogenannten Markierungskegeln im öffentlichen Straßenverkehr grundsätzlich zulässig ist. Diese dürfen von Fahrlehrern eingesetzt werden, wenn sie in der Motorradausbildung (A, A1, A2, AM) Grundfahraufgaben vermitteln, zum Beispiel das Slalom fahren oder das Ausweichen. Jedoch ist die Ausnahmegenehmigung an einige Bedingungen geknüpft: Die Markierungskegel dürfen nur in verkehrsarmen Straßen aufgestellt werden. Sie dürfen weder rot, weiß oder rot-weiß sein, damit sie nicht mit Leitkegeln verwechselt werden, auch dürfen sie keine Bodenplatte aufweisen und müssen mindestens 15 Zentimeter hoch sein. Werbung auf den Kegeln ist verboten. Der Vorstand hat sich gegenüber der Verwaltung für die Farbe hellgrün ausgesprochen und bittet die Mitglieder, sich daran zu halten, weil somit eine „Identität für Fahrlehrer“ geschaffen werde, die auf der Straße üben. Eine Kaufempfehlung werde der Verband noch kommunizieren.

„Die Ausnahmegenehmigung ist das eine, das andere ist, wie ihr, liebe Kollegen, damit umgeht“, sagte Glowalla. „Die Kommunikation wird über unser Ansehen entscheiden.“ Es werde vorkommen, dass Verkehrsteilnehmer Fahrlehrer auf die Kegel ansprechen, möglicherweise irritiert oder auch gereizt. Glowalla empfiehlt, den Gegenüber ruhig über die Genehmigung aufzuklären. Trotz allem, betonte der erste Vorsitzende, haben Polizeibeamte das letzte Wort. Ihren Weisungen ist Folge zu leisten.

Glowalla: Wie geht es mit dem Diesel weiter?

Auf die Frage „Was wird aus unserem Diesel?“, die Mitglieder von Zeit zu Zeit an ihn richten, hatte Glowalla nur eine ehrliche Antwort: „Wir wissen es nicht.“ Weder Politik noch Wirtschaft hätten ihm eine befriedigende Antwort geben können. Er argwöhnte, dass selbst bei den Autoherstellern nur noch wenige wissen, wie die Strategie hinsichtlich des Diesels aber auch alternativer Antriebe aussieht. Festzuhalten sei jedoch, dass der Wert der Dieselfahrzeuge im Tagestakt an Wert verliert und die Prämien beim Kauf eines neuen Fahrzeugs nicht ausreichen, um den Wertverlust auszugleichen. „Wenn ich noch eine Fahrschule hätte, würde ich mich schon von den Diesel-Fahrzeugen getrennt haben. Ich würde nicht zusehen, wie das Auto jede Woche 300 Euro an Wert verliert“, stellte Glowalla dar, mit der Betonung, dass es sich dabei um seine persönliche Meinung handelt.

„Viele Fahrschulen, die eine ordentliche Arbeit machen, sind dazu übergegangen, sich einen gerechteren Preis zu gönnen. Das ist eine gute Entwicklung“, befand Glowalla. Geschäftsaufgaben und Altersruheständler reduzieren jedoch die Mitgliedszahlen weiter. Binnen elf Monaten verlor der Fahrlehrer-Verband in Saldo 16 Mitglieder.

(ms)


Mitgliederversammlung Berlin 2018

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