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Glowalla: Offen sein für Neues

02.06.2017 12:08 Uhr
Peter Glowalla regte beim Berliner Verbandstag an, eine Modell-Fahrlehrer-Ausbildungsstätte zum technisch-assistierten Fahren zu gründen
© Foto: Thomas Cyganek

„Fahrlehrer müssen sich öffnen und ihr technisches Wissen verbessern“, forderte Peter Glowalla beim Verbandstag der Berliner Fahrlehrer am 20. Mai.

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190 Fahrlehrer begrüßte Peter Glowalla, der Vorsitzende des Fahrlehrer-Verbands Berlin, zur Mitgliederversammlung im weitläufigen Convention Center des Estrel-Hotels. Nach wenigen einführenden Worten ging es los mit einem straffen Programm.

„Wir sehen Ihre Arbeit als wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit“, lobte Oberamtsrat Dietmar König von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz zunächst die Fahrlehrer. „Sie geben jungen Leute eine Chance, unversehrt im Straßenverkehr bestehen zu können.“ Aber die Ansprüche an die Fahrlehrer würden nicht kleiner, warnte er, deswegen sei zur stetigen Qualitätsverbesserung eine Modernisierung des Berufsbilds nötig. „Endlich gibt es dazu einen finalen Gesetzentwurf“, kommentierte König die beschlossene Reform des Fahrlehrergesetzes und dankte den Fahrlehrer-Verbänden für die „fruchtbare Zusammenarbeit“ sowie für ihre „Verlässlichkeit und Innonvationsfreude“. Im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses seien die Fahrlehrerverbände die „netteren Bestandteile“ gewesen.

Gefahr der Scheinselbstständigkeit

Die Reform sei „über weite Strecken sehr gelungen“, urteilte er, auch wenn manche Ziele nicht erreicht worden seien. König kritisierte etwa, dass es bei der geplanten pädagogisch-qualifizierten Fahrschulüberwachung keine klaren Regelungen geben werde, sondern nur eine Rahmengesetzgebung. „So kommt kein bundesweit einheitliches Überwachungsmodell zustande“, sagte er. Beim Thema Freie Mitarbeiter seien „Minderheiteninteressen“ zum Tragen gekommen, „die keinen guten Einfluss“ gehabt hätten. So befürchte König sozialrechtliche Probleme, etwa beim Thema Scheinselbstständigkeit. „Absonderlich“ finde er auch die Aufnahme der Zweigstellenbeschränkung auf zehn. „Warum soll zehn in Ordnung sein, elf aber nicht?“ Es bleibe verborgen, was dahinterstecke. Die „Gefahr der Großfilialisierung“ lasse sich nicht durch Zahlen beschränken.

„Aber das war noch nicht die letzte Strophe des Reformlieds“, gab der Berliner Politiker zu bedenken. Die Änderungen, die mit E-Mobilität und Digitalisierung kommen würden, seien „von anderer Dimension“ und würden die bisherige Reform wie ein „laues Lüftchen“ wirken lassen. Die fortschreitende Automatisierung sei „Segen und Fluch“. „Aber wer sollte sich den Entwicklungen stellen, wenn nicht die Fahrlehrer?“, rief er den Teilnehmern des Verbandstags zu und appellierte: „Sie müssen sich anpassen sowie stets aktiv und am Puls der Zeit sein."

Fahrschulen ein wichtiger Schritt zur Mobilität

Aktiv sind Deutschlands Fahrlehrer zurzeit: Sie hätten „mehr als geplant sehr gut zu tun“, sagte Kurt Bartels im Anschluss zur aktuellen wirtschaftlichen Lage. 80 Prozent der 11.100 Fahrschulen mit 45.238 Fahrlehrern (Stand: 2016) seien Klein- und Kleinstbetriebe. „Wir müssen Wege finden, diese zu schützen“, sagte der 2. Stellvertretende BVF-Vorsitzende. Auch in kleineren Gemeinden solle es Fahrschulen geben, die für junge Leute „ein wichtiger Schritt in die Mobilität“ seien. Er warnte in diesem Zusammenhang vor den berüchtigten „Aldi-Fahrschulen“ und befürchte, dass derartige Großfahrschulen vor allem auf Kosten der kleinen Landfahrschulen gehen würden.

Bartels fasste wie sein Vorredner die wichtigsten Punkte der kommenden Fahrlehrerrechtsreform zusammen und kritisierte problematische wie zum Beispiel die – wieder ins Gesetz gehobene – freie Mitarbeiterschaft. Diese sei „sozialrechtliche höchst bedenklich“ und komme einer „Abwälzung des unternehmerischen Risikos“ gleich. „Das kann es nicht sein“, sagte und kündigte an, ein Gutachten zu diesem Thema einzuholen.  Auch die 11. Anderungsverordnung der Fahrerlaubnis-Verordnung nahm Bartels aufs Korn. Er beklagte „Verschlimmbesserungen“ und „Stilblüten“ - etwa bei den umständlichen Regungen zu Bürgerbus und Sprinter - und hoffte auf den Gesetzgeber, diese zu ändern. Die Zeichen stehen gut: Die 12. Änderungsverordnung sei schon auf dem Weg, teilte er mit.

Automatisiertes Fahren: Ermächtigung zur Ausbildung erwünscht

Schließlich sprach der BVF-Vertreter über das Megathema „Autonomes Fahren“, nicht umsonst trug sein Referat den Titel „Fahrlehrerberuf 2025: Rahmenbedingungen – automatisiertes und vernetztes Fahren“. In den neuen Paragrafen 1a bis 1d des Straßenverkehrsgesetzes wir laut Bartels die Benutzung automatisierter Systeme normiert. „Aber der Fahrer wird laut Gesetz auch immer in der Verantwortung bleiben.“

Bartels stellte nun sieben Hürden vor, die derzeit noch eine Umsetzung des automatisierten Fahrens bremsen: So gebe es zum Beispiel beim Recht, Technik, IT-Sicherheit, Raum- und Verkehrsplanung und nicht zuletzt beim Menschen noch Probleme zu überwinden. Außerdem betonte er: „Solange wir in Europa noch Mischverkehre haben, ist fraglich, wie das automatisierte Fahren dann funktioniert.“ Was dringend gebraucht werde, sei die Ermächtigung, Fahrschüler auf die Digitalisierung vorzubereiten und Fahrassistenzsystem in Ausbildung und Prüfung zu integrieren.

„Die technische Entwicklung hat den Gesetzgeber und uns in Riesenschritten überholt“, stellte Peter Glowalla als Reaktion auf Bartels' Vortrag fest und hat seiner Ansicht nach auch die Reform „zum Teil zunichte gemacht“. Der Berliner Vorsitzende regte an, eine Modell-Fahrlehrer-Ausbildungsstätte zum technisch-assistierten Fahren zu gründen. 

2.000 mehr Prüfanfragen als im Vorjahr

Zum TÜV-Prüfgeschehen in Berlin stellte Andreas Röse fest, dass die „Baisse“ vorbei sei. Mit Ausnahme der Fahrerlaubnisklasse D steige das Prüfvolumen in allen Klassen an. Im ersten Quartal des Jahres habe es  fast 28.000 Theorieprüfungen in Hocharabisch gegeben. Dies werde sich wahrscheinlich so weiterentwickeln. Röse berichtete dabei von einer Verdoppelung der Anzahl an Klasse-B-Bewerbern. „Manche Fahrkompetenzen der Umschreiber sind aber so schlecht, dass es einer Vorstellung zur Prüfung nicht bedarf.“ Es sei nicht Aufgabe von TÜV oder Dekra, im Rahmen der ersten Prüfung darauf hinzuweisen, dass eine Ausbildung nötig sei.

Röse wies darauf hin, dass der TÜV bei diesem „Ansturm“ an Bewerbern eine zweiwöchige Vorlaufzeit bei den Prüfungsanmeldungen nicht halten könne. „Mir tut das leid“, sagte der TÜV-Vertreter, „aber wir arbeiten mit Mann und Maus daran“. Bei 2.000 mehr Prüfanfragen als im Vorjahr müsse man mit den Prüfstellen „glimpflich umgehen“, fügte Peter Glowalla an.

Arge tp 21: Gemeinsame Standards für die Fahrausbildung

Erstmals bei der Verbandstagung in Berlin zu Gast war Matthias Rüdel, Geschäftsführer der TÜV Dekra arge tp 21. Hauptsächlich erledigt diese Grundsatzarbeiten für die Technischen Prüfstellen – egal ob TÜV oder Dekra. Ein Beispiel dafür sei die stetige Optimierung der Fahrerlaubnisprüfung, sagte Rüdel. Die verbesserte Darstellung im künftigen Format 16:9 sowie die kontinuierliche Evaluation und Entwicklung innovativer Aufgabenformate seien Arbeitsschwerpunkte bei der theoretischen Prüfung gewesen. Auch die praktische Prüfung wurde laut Rüdel inhaltlich und methodisch „deutlich verbessert“, unter anderem anhand einer umfassenden Erprobung in circa  9.000 Prüfungen in Berlin. Alle Erkenntnisse seien später in das Elektronische Prüfprotokoll eingeflossen

Die arge tp 21 bemüht sich nach Angaben ihres Geschäftsführers um gemeinsame Bildungsstandards für die Fahranfängerausbildung, insbesondere sei hier der künftige Fahraufgabenkatalog und die elektronische Lernstandsbeurteilung (eLBe) für Fahrlehrer zu nennen. „Es ist uns damit gelungen, Standards zu setzen, indem wir alle rechtlichen Grundlagen für die Ausbildung dargestellt haben“, sagte Rüdel. Ein Prototyp der eLBe sei fertig und gehe nun in eine Machbarkeitsstudie über.

Dekra: Erheblich mehr Prüfungen in Berlin

Andreas Schmidt brachte Neuigkeiten aus dem Dekra-Prüfgeschehen 2016 mit. In Berlin sei die Zahl der theoretische Prüfungen im Vergleich zum Vorjahr auf 49.940 (+17,5 Prozent) gestiegen, in der Praxis auf 37.476 (+8,8 Prozent). Die Erfolgsquoten seien dagegen gesunken: von 59,4 auf 55,7 Prozent in der Theorie sowie von 65,1 auf 64,1 Prozent in der Praxis.

Andere Zahlen schossen wieder in die Höhe: Wie sein TÜV-Kollege stellte er fest, dass die theoretische Prüfung auf Hocharabisch derzeit einen Boom erlebe und mehr als alle anderen Fremdsprachen zusammen nachgefragt werde. Der Dekra-Anteil daran betrage 11,4 Prozent. Die Klasse AM 15 erlebte nach Angaben des Dekra-Vertreters einen weiteren Zuwachs um zehn Prozent.

In seinem Ausblick auf das Jahr 2017 kündigte er – dank 12. ÄndVO der FeV - die Einführung der Audioprüfung im Sommer 2017 an sowie ab 1. Oktober die Theorieprüfung im Bildformat 16:9.

Drehen an „den großen Schrauben“

Vor dem internen Teil der Mitgliederversammlung dankte Peter Glowalla der BVF für das, „was diese Truppe in diesem Jahr schon geleistet und aufgearbeitet hat“. Deren Arbeit könne man nicht „hoch genug schätzen“, sagte er, denn dort drehe man „an den großen Berufsschrauben“. Er selbst habe nach 22 Jahren seinen Posten in der BVF geräumt, um seinem Berliner Verband etwas zurückzugeben: Glowalla kündigte eine umfangreiche inhaltliche Aufarbeitung des neuen Fahrlehrergesetzes an. Diese solle mit Grafiken und Tabellen unterlegt und mit den Behörden abgestimmt sein. „Wir wollen damit deutlich machen, was ein Fahrschulunternehmer oder ein Fahrlehrer täglich beachten muss“, betonte er. „Denn das neue Fahrlehrergesetz ist gut, weil es da ist“. Es gehe nicht darum, wie es ausgefallen sei, sondern darum, was man daraus mache, sagte Glowalla. „Und wir Berliner wollen dabei die Nase vorn haben.“

In seinem Jahresbericht stellte Glowalla die Aktivitäten seines Verbandes im vergangenen Jahr vor. Neben den Arbeitskreisen Fahrerlaubnisprüfung, Motorrad, Nutzfahrzeuge lag ihm besonders der Arbeitskreis Zukunft am Herzen. „Ein Verbandsvorstand muss sich damit befassen, was in der Zukunft kommt“, sagte er und forderte die Fahrlehrer auf: „Halten Sie mit und befassen Sie sich damit. Fahrlehrer müssen sich öffnen und ihr technisches Wissen verbessern.“ Man könne junge Leute nur begeistern, wenn man sich mit etwas befasse, dass diese interessiere.

Glowalla lieferte im Anschluss einige Zahlen zum Berliner Fahrschulwesen: 513 Haupt- und Zweigstellen gab es seinen Angaben im Jahr 2016. Im Jahr 2000 waren es noch 645. Die Zahl der Ausbildungsfahrschulen sei „explodiert“: von 240 (2012)  auf 293 (2016). „Wir haben keine Ahnung, woran das liegt“, sagte er. 1.938 Fahrlehrer mir aktuellem Ausbildungsschein habe es 2016 gegeben, 2.359 insgesamt. Über 900 Fahrlehrer seien ohne Beschäftigungsverhältnis.

Grundfahraufgaben ohne Leitkegel: „Zug ist angefahren“

Reinhard Kendziora, der 1. Stellvertretende Vorsitzende, brachte im Anschluss die anwesenden Fahrlehrer auf den neuesten Stand beim Arbeitskreis Grundfahraufgaben Motorrad, der sich intensiv dem Thema Leitkegel widmete. Nach vielen langwierigen Verhandlungen mit den Behörden seien alle Beteiligten bereit, in Berlin einen „Testlauf“ ohne Leitkegel zu unterstützen, teilte Kendziora mit. Geplant sei dieser zur Motorrad-Saison 2018. Der erforderliche Antrag an die Senatsverwaltung werde in Kürze gestellt. „Der Zug ist angefahren“, sagte er. Wenn alles klar gehe, gebe es in Zukunft Grundfahraufgaben in Unterricht und Prüfung ohne Leitkegel.

Nach der einstimmigen Entlastung des Vorstands standen Wahlen auf der Tagesordnung: Peter Glowalla wurde einstimmig als Vorsitzender wiedergewählt, ebenso wie Christiane Jordan und Stephan Ackerschewski als 2. und 4. Stellvertreter.

Zum Ende der Veranstaltung wurden noch Anträge behandelt. Unter anderem soll als Ergebnis in naher Zukunft eine Arbeitsgruppe entstehen, die „sachlich diskutiert, wie man die Lebenswelt von angestellten und selbstständigen Fahrlehrern verbessern kann“, kündigte Glowalla an. Außerdem solle sich der Berliner Fahrlehrerverband dafür einsetzen, eine seit Ende der 80er-Jahre bestehende Automatikregelung wiederzubeleben, wünschten sich die Berliner Fahrlehrer. Diese sieht zunächst eine Ausbildung im Automatikfahrzeug vor, danach sechs Ausbildungsstunden im Schaltwagen. Die Prüfung findet im Automatikauto statt, bleibt aber ohne den gefürchteten Automatikeintrag.

(tc)


Mitgliederversammlung Berlin 2017

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