Das Oberlandesgericht Schleswig hatte einen Fall zu verhandeln, der wohl jeden Tag in Deutschland passiert: Auf einer einspurigen Bundesstraße kam es zu einem Auffahrunfall samt Blechschaden. Der sogenannte Anscheinsbeweis spreche gegen den Auffahrenden, entschied das Gericht. Die Folge: Er haftet für den Schaden.
Wann wird der Anscheinsbeweis angewendet?
Der Bundesgerichtshof hat die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises schon 1957 definiert: Dieser komme zum Einsatz bei „typischen Geschehensabläufen, bei denen nach der Lebenserfahrung regelmäßig von einem bestimmten Ereignis auf einen bestimmten Erfolg geschlossen werden kann und umgekehrt“. Bei einem Auffahrunfall bedeutet das: Der auffahrende Hintermann war entweder unaufmerksam oder hat nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten. Und ist deswegen aufgefahren.
Schwierig: Den Anscheinsbeweis entkräften
Der Anscheinsbeweis wird laut BGH nicht angewendet, wenn es keinen typischen Geschehensablauf gab. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn es zum Auffahrunfall kam, weil der Vorausfahrende überholt und plötzlich abgebremst hat.
Die Schwierigkeit dabei ist: Der Auffahrende, der das behauptet, muss dies in allen Einzelheiten beweisen. Kann selbst ein Sachverständigengutachten das nicht im Einzelnen nachvollziehen, bleibt es bei der Haftung des Auffahrenden.
Im konkreten Fall entschied das OLG Schleswig: „Für die Behauptung des Klägers gibt es weder Zeugen noch Anknüpfungstatsachen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen gibt es auch keine Anhaltspunkte für die ernsthafte Möglichkeit des von dem Kläger geschilderten atypischen Geschehensablaufs.“ Der Auffahrende musste alleine für den Schaden aufkommen.
Oberlandesgericht Schleswig
Aktenzeichen 7 U 100/17
(tra/tc)