Die Glücksforschung geht davon aus: Die wichtigsten Bestandteile des menschlichen Glücks sind seine Nahbeziehungen. Das Verhältnis zu den Eltern, Kindern und dem Partner entscheidet maßgeblich, wie glücklich, gefestigt oder mutig der Mensch durchs Leben geht. Maßgeblich für gelungene Beziehungen ist zuvorderst die Kommunikation und darin: Respekt. Für ein respektvolleres Miteinander machte sich der Kommunikationstrainer René Borbonus zum Abschluss des Fahrlehrerkongresses stark.
Eine Frage, die die meisten Menschen beschäftige, laute: Wie bekomme ich mehr Respekt? „Die Antwort lautet: Indem Sie zu anderen respektvoll sind“, sagte Borbonus. Menschen spiegeln einander, das sei genetisch disponiert und gut an Kleinkindern zu beobachten, die das Verhalten der Erwachsenen nachahmen.
„Wenn alle das so toll finden mit dem gegenseitigen Respekt, warum gibt es dann im Alltag so viele Respektlosigkeiten?“, fragte Borbonus rhetorisch. Im alltäglichen Miteinander habe er dafür viele Gründe gefunden, die Top 6 präsentierte er den Zuhörern.
- An einem generellen Klima der Respektlosigkeit seien wir alle selbst schuld, findet der Kommunikationstrainer, denn wir haben es geschaffen. In Unterhaltungsmedien und Kommunikationsplattformen belustigen sich viele an Schwächen oder Außergewöhnlichem anderer oder flüchten sich in die Anonymität, um andere zu diffamieren oder einzuschüchtern. SMS, Whatsapp, Facebook und Co. hätten zudem dazu geführt, dass Menschen überhaupt nicht mehr miteinander direkt kommunizieren und sich also schon gar nicht mehr wahrnähmen. Und hier fange der Respekt schon einmal an.
- Borbonus vertrat die These: „Sie alle sind sehr oft respektlos, aber sehr oft aus Versehen.“ Respekt bedeutet im lateinischen Wortsinne, einander wirklich zu sehen. Das Gegenteil sei der Fall, wenn man auf Sorgen eines Freundes mit Bagatellisierung reagiere wie: Ach komm, ist doch nicht schlimm! „Das ist zwar gut gemeint, aber noch lange nicht gut“, sagte Borbonus. Der Mensch möchte in seinem Schmerz wahrgenommen. Das Gegenextrem zur Bagatellisierung ist das Verschlimmern: die Ängste gar zu verstärken.
- Eine Respektlosigkeit, die eigentlich gar keine ist, aber von Menschen als solche wahrgenommen wird, tritt im Spannungsfeld zweier Bedürfnisse auf: Freiheit und Verbundenheit. Nach beidem strebt er, das Problem nur sei: Das eine frisst das andere auf. Viele Streitigkeiten gerade in Eltern-Kind-Beziehungen können so gesehen werden. Die Tochter fordert mehr Freiheit, Mama sucht die Verbundenheit, je intensiver beide Seiten ihrem Wunsch nachgehen, desto höher schaukelt sich der Konflikt, obwohl keiner im Grunde respektlos handle, fand der Redner.
- In 50 Prozent der Fällen, so die Schätzung von Borbonus, möchte man mit der Warum-Frage etwas ergründen. In den anderen Fällen mache man von dem Fragewort Gebrauch, um andere in die Position der Rechtfertigung zu drängen, beispielsweise wenn die Frau ihren Mann nach dem Einkauf fragt, warum er das Leergut nicht mitgenommen habe. „Lassen Sie diese unechten Suggestivfragen sein!“, forderte Borbonus, „niemand möchte das Gefühl haben, etwas in die Schuhe geschoben zu bekommen oder manipuliert zu werden.“
- Die aus des Redners Sicht schlimmste Art, es im Alltag an Respekt mangeln zu lassen, sei die Konsistenz anderer infrage zu stellen. Er führte ein selbstkritisches Beispiel aus seiner Vita zum Verständnis an: Obwohl er erkannt hatte, dass sein Sohn noch nicht Zähne geputzt hatte, fragte er ihn, ob er dies schon getan hätte. Als dieser mit ja antwortete, stellte Borbonus ihn automatisch in die Ecke des Lügners. Ehrlicher und besser wäre da eine Aussage gewesen: Du hast noch nicht Zähne geputzt, mach das jetzt.
- Viele Menschen nehmen das, was ihnen erzählt wird, zum Anlass, über sich selbst zu sprechen anstatt auf das Gesagte und die Befindlichkeit des anderen einzugehen.
Diese Fehler machen Menschen laut Borbonus, weil sie sich zu wenig Gedanken über die Kommunikation und ihre Wirkung machen. Die Chance, dass zumindest ein Teil der rund 1.500 Zuhörer, dies künftig tut, ist groß.
(ms)