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Fahrschulbranche in Sorge: Theorieunterricht braucht Präsenzstunden!

09.02.2022 13:17 Uhr | Lesezeit: 5 min
Fahrschulbranche in Sorge: Theorieunterricht braucht Präsenzstunden!
Eine Abschaffung des Präsenzunterrichtes schade der Qualität der Fahrausbildung sowie der Verkehrssicherheit massiv, warnt der Expertenrat
© Foto: Peter Atkins/stock.adobe.com

Expertenrat warnt vor erhöhter Unfallquote in den nächsten Jahren

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Am 11. Februar entscheidet der Bundesrat über die 15. Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung. Der Verkehrsausschuss hat ihm dazu eine Empfehlung abgegeben, dass eine Möglichkeit geschaffen werden solle, den Theorieunterricht in den Fahrschulen auch als Distanzunterricht durchführen zu können. Damit soll der digitale Distanzunterricht als Alternative zum Präsenzunterricht grundsätzlich in die Gesetzgebung aufgenommen und nicht mehr nur eingeschränkt zugelassen werden. Die Möglichkeit, den Theorieunterricht in der Fahrschule als Distanzunterricht durchzuführen, stößt auf heftigen Widerstand bei vielen Branchenexperten. Diese haben daher einen Expertenrat gegründet, der rund 80 Prozent der Fahrschulen in Deutschland repräsentiert. Er warnt jetzt ausdrücklich davor, dass eine wohlmögliche Abschaffung des Präsenzunterrichtes der Qualität der Fahrausbildung sowie der Verkehrssicherheit massiv schaden würde.

Laut Expertenrat, bestehend aus verschiedenen Interessenvertretungen, Fahrlehrerverbänden und Wirtschaftsunternehmen der Branche, sei es nicht auszuschließen, dass durch den Wegfall des Präsenzunterrichts die Unfallquote auf deutschen Straßen zukünftig steigen werde. „Die Erfahrungen aus dem Lockdown haben gezeigt, dass sich die Fahrschüler:innen während des Distanzunterrichts kaum in Diskussionen zur Verkehrssicherheit einbringen, häufig abgelenkt sind und eher passiv am Unterricht teilnehmen. Das wiederum hat große Auswirkungen auf den Lerneffekt und auf die Einstellungen zur Verkehrssicherheit“, so Jürgen Kopp, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V..

OFSA-II Studie zur Optimierung der Fahrausbildung wird vom Expertenrat weiterentwickelt

Der Expertenrat wird bis April die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten OFSA-II Studie, die die sinnvollen Möglichkeiten der Digitalisierung des Fahrschulunterrichts erörtert und wissenschaftlich abgesichert hat, weiterentwickeln. Dafür wird der Expertenrat repräsentative Daten aus deutschen Fahrschulen hinzuziehen und auswerten. Das OFSA-II Modell, das bereits auf dem 8. Deutschen Fahrlehrerkongress im November 2021 große Zustimmung innerhalb der Fahrlehrerschaft sowie bei Expert:innen gefunden hat, bewertet das digitale selbstständige Lernen als wichtige Ergänzung zur Vor- und Nachbereitung des Theorieunterrichts. E-Learning sei laut OFSA-II jedoch nicht dafür geeignet, den Präsenzunterricht komplett zu ersetzen. Die Ergebnisse sollen dem Verkehrsausschuss vorgelegt werden, um damit Einfluss auf die geplanten Änderungen in der Gesetzgebung zu nehmen.

„Wir setzen Unfallrückgänge bei jungen Fahrer:innen leichtsinnig auf’s Spiel“

„Wir können aus den Erfahrungen des Distanzunterrichts im Lockdown ganz und gar nicht bestätigen, dass der digitale Distanzunterricht dieselbe Ausbildungsqualität bietet wie der Präsenzunterricht, der einen entscheidenden Einfluss auf die Verkehrssicherheit hat. In den vergangenen Jahren haben wir eine sehr positive Entwicklung bei den 18-24-jährigen Fahrer:innen verzeichnet. Laut Statistik wurden Unfälle mit Personenschäden um 13 Prozent und mit getöteten Fahrer:innen in der Altersklasse sogar um 23 Prozent reduziert. Diese Entwicklung setzen wir mit einer Abschaffung des Präsenzunterrichts leichtsinnig aufs Spiel“,
warnt Jörg-Michael Satz, Präsident der MOVING e.V.

Erfahrungen aus dem Lockdown: Massive Lerndefizite und Passivität

Der Expertenrat prognostiziert durch den Wegfall eines verpflichtenden Theorie-Präsenzunterrichts massive Lerndefizite, vor allem bei leistungsschwachen Schüler:innen. „Ein reiner Online Theorieunterricht kann niemals die Ausbildungsqualität bieten wie es im Präsenzunterricht möglich ist. Bei 25 digitalen Teilnehmer:innen, die alle auf einem Bildschirm abgebildet sind, ist es nahezu unmöglich, die Körpersprache und die Reaktionen aller Fahrschüler:innen zu erfassen und darauf zu reagieren“, kritisiert auch Gerhard von Bressendorf, Präsident der DEUTSCHEN FAHRLEHRER-AKADEMIE e.V.. „Während des Lockdowns haben wir auch beobachtet, dass viele Fahrschüler:innen durch den reinen Distanzunterricht im Durchschnitt bis zu fünf zusätzliche Fahr-Praxisstunden nehmen mussten. Das wiederum führt zu einer Verteuerung um bis zu 10 Prozent des Führerscheins. Denn der Theorieunterricht bereitet in großem Maße auf die Praxisausbildung vor. Die Beobachtungen aus dem Lockdown lassen darauf schließen, dass der digitale Distanzunterricht diese Vorbereitung nicht mit derselben Qualität leisten kann wie der Präsenzunterricht“, so Jürgen Kopp.

„Durch den reinen digitalen Distanzunterricht erschweren wir zudem Migrant:innen den Zugang zum Führerschein, dabei ist dieser eine wichtige Voraussetzung für den Zugang zu vielen Engpassberufen wie in der Gesundheits-, Kranken- und Altenpflege oder in verschiedenen handwerklichen Berufen“, gibt Kopp zusätzlich zu bedenken.

Neurophysiologische Studie belegt: Aufmerksamkeit lässt im Distanzunterricht schneller nach

Die Beobachtungen des Expertenrats wurden auch durch eine neurophysiologische BrainSigns Studie zur kognitiven Aufmerksamkeit im Präsenz- und Fernunterricht bestätigt, die von Fabio Babiloni, Professor für industrielle Neurowissenschaften und Neuromarketing an der Universität Rom "La Sapienza“, durchgeführt wurde. Sie belegt, dass Didaktik im Klassenzimmer und im Fernunterricht unterschiedlich erlebt werden. Wie sich herausstellte, war das Engagement der Proband:innen in beiden Situationen anfänglich ähnlich, jedoch lies die Aufmerksamkeit bei den Teilnehmer:innen im Distanzunterricht bereits nach 20 Minuten nach. Zudem machten die Schüler:innen im Distanzunterricht mehr Fehler bei der Beantwortung der Fragen über die aus der Ferne gelernte Themen.

Jürgen Kopp, Vorsitzender Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V

Gerhard von Bressensdorf, Präsident DEUTSCHE FAHRLEHRER-AKADEMIE e. V.

Jörg-Michael Satz, Präsident MOVING International Road Safety Association e. V.

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