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„Mit einer offenen Zusammenarbeit kann die Reform zu einem positiven Abschluss kommen“

08.03.2016 14:01 Uhr
„Mit einer offenen Zusammenarbeit kann die Reform zu einem positiven Abschluss kommen“
Gerhard von Bressensdorf, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF)
© Foto: Werner Kuhnle

Seit über 20 Jahren führt Gerhard von Bressensdorf die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF) als deren Vorsitzender an. Im Interview spricht er unter anderem über die Reform des Fahrlehrerrechts, den Verkehrsgerichtstag in Goslar, Entbürokratisierung und die Ausbildung von Fahrlehrern.

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Fahrschule: Herr von Bressensdorf, sind Sie zufrieden mit dem Verlauf des Verkehrsgerichtstags in Goslar?

Gerhard von Bressensdorf: Nein, ich bin überhaupt nicht glücklich mit dem Verlauf in Goslar! Es sollte über die Pläne des Gesetzgebers beraten werden. Die wurden aber nur in Teilen offengelegt. Eine zielführende Beratung der Reform war so nicht möglich.

Nach den Beschlüssen wurde Ihnen vorgeworfen, die Reformpläne rundweg abgelehnt zu haben.

Wir konnten sogar einer ganzen Reihe von Vorschlägen zustimmen. Und ja, bei einigen Punkten haben wir uns gegen die Pläne des Gesetzgebers gestellt. Nicht, weil wir diese Vorschläge alle grundsätzlich ablehnen. Aber der Gesetzgeber muss uns schon vorher verraten, wie er sich die Ausgestaltung dieser neuen Regelungen vorstellt. Wir wollen nicht, dass neue Probleme geschaffen werden. Einen Freifahrtschein ausstellen, mit dem der Gesetzgeber dann machen kann, was immer er will – das ist mit uns nicht zu machen!

Sie wollen keine Aufgabe der Zweigstellenregelung. Wäre es denn wirklich so schlimm, großen Fahrschulen ihr Geschäft weniger schwer zu machen?

Wir haben nichts dagegen, die Anzahl der Zweigstellen sinnvoll nach oben anzupassen. Einen entsprechenden Vorschlag haben wir ja auch eingebracht. Was wir nicht möchten, ist, dass künftig Konzerne beschließen, deutschlandweit in jeder Niederlassung auch eine Fahrschule zu betreiben – in der es nicht primär um die Fahrausbildung geht, sondern darum, möglichst viele Fahrschüler und damit potenzielle Käufer in die Niederlassung zu locken. Wir wollen auch nicht, dass Deutschland von Fahrschulen überzogen wird, die von Discountern, Kaffeeröstern oder anderen Konzernen betrieben werden. Wir wollen Fahrschulen, in denen die Fahrausbildung und das persönliche Engagement erste Priorität hat. Wenn man die Zweigstellenregelung einfach so aufgibt, macht man es aber solchen „Discounter-Fahrschulen“ leicht.

Der Bund-Länder-Fachausschuss hat bei den Zugangsvoraussetzungen eine Absenkung des Mindestalters auf 21 Jahre und eine Anhebung vom Hauptschulabschluss auf den mittleren Bildungsabschluss (früher: „Realschulabschluss“) vorgeschlagen.

Ja, das hat unsere Zustimmung gefunden. Wobei wir immer für die Durchlässigkeit plädiert haben – was ja dann auch Teil des Beschlusses in Goslar war.

Durchlässigkeit?

Menschen ohne mittleren Bildungsabschluss, die durch andere Qualifikationen und durch erfolgreiches Absolvieren eines Berufseignungstests nachweisen können, dass sie für den Beruf des Fahrlehrers geeignet sind, sollte der Zugang zum Beruf nicht verwehrt bleiben.

Wäre es nicht einfacher, auch weiterhin grundsätzlich Menschen ohne den entsprechenden Bildungsabschluss Fahrlehrer werden zu lassen?

Ein guter Fahrlehrer zu sein, ist anspruchsvoll. Es geht ja bei Weitem nicht nur um die Vermittlung von Regelwissen. Wir wirken auch auf Werte und Verhaltensweisen von jungen Menschen ein. Das pädagogische Rüstzeug für diese Aufgabe kann man nicht einfach so auf einen Hauptschulabschluss aufbauen. Mir ist kein pädagogischer Beruf bekannt, der auf Hauptschulabschluss aufbaut. Für den Fahrlehrerberuf mit den hieran geknöpften Erwartungen ist  der mittlere Bildungsabschluss – oder der Nachweis einer entsprechenden Qualifikation – zwingend erforderlich; das wird auch im wissenschaftlichen Gutachten gefordert.

Sie fordern, dass die Ausbildungszeit der Fahrlehrer verlängert werden soll. Sollte man nicht die Anforderungen an den Fahrlehrer grundsätzlich herunterschrauben, um sicherzustellen, dass genügend Fahrlehrer nachwachsen?

Es gibt ja schon eine ganze Reihe von Anregungen, die dazu führen würden, dass der Fahrlehrerberuf runterqualifiziert wird. Das ist weder mit den Forderungen im Koalitionsvertag noch mit unseren Erwartungen vereinbar.

Viele Fahrschulen suchen verzweifelt einen angestellten Fahrlehrer.

Dabei gibt es sehr viele Fahrlehrer in Deutschland. Nur arbeiten viel zu viele nicht in diesem Beruf, weil er für sie nicht attraktiv genug ist. Die Verdienstmöglichkeiten in anderen Berufen sind häufig höher bei deutlich geringeren Ansprüchen. Wir müssen einen Weg finden, unsere Angestellten entsprechend den hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, angemessen zu bezahlen.

Also doch eine Gebührenordnung?

Dieser vielfach geäußerte Traum wird das Problem nicht lösen können. Nur eins: Der Gesetzgeber wird definitiv keine Gebührenordnung beschließen. Er ist schon dabei, die bestehenden abzubauen, zusätzliche Regulierungen wird es nicht geben. Für keinen Berufsstand.

Dem Vorschlag des BLFA, dass die fahrpraktische Prüfung bereits vor Beginn der Ausbildung in der Fahrlehrerausbildungsstätte bestanden sein muss, haben Sie zugestimmt.

Ja, das war eine jahrzehntelange Forderung der Fahrlehrerausbildungsstätten, die wir mittragen.

Es gibt aber auch Gegenstimmen, die davor warnen, dass die Hürde, eine Fahrlehrerausbildung zu beginnen, zu hoch wird, wenn vorher die fahrpraktische Prüfung bestanden werden muss.

Dem steht entgegen, dass jemand, der schon einen Teil der Fahrlehrerausbildung – mit allem Aufwand und allen Kosten – hinter sich gebracht hat, das völlig umsonst getan hat, wenn er dann letztendlich an der fahrpraktischen Prüfung scheitert.

Und zum Berichtsheft in seiner jetzigen Form sehen Sie keine Alternative? Wie stellen Sie sich die Kontrolle vor? Soll der Prüfungsausschuss bei jedem Berichtsheft mit Plagiatssoftware das Internet durchforsten, um sicherzustellen, dass der Bewerber es auch ganz allein geschrieben hat?

Ich kann mir stattdessen gut vorstellen, sehr viel mehr Verantwortung in die Ausbildung zu übertragen. Dort sollten  Fahrlehreranwärter eigenständig Stundenkonzepte für alle Unterrichte erstellen. Auf eines dieser Konzepte sollten sie dann in der Lehrprobe zurückgreifen und beweisen, dass sie zur Umsetzung in der Lage sind.

Die Ausbildung der Ausbildungsfahrlehrer soll ja auch verbessert werden.

Ja, das findet unsere uneingeschränkte Zustimmung. Wir sind auch der Meinung, dass der Ausbildungsfahrlehrer eine Prüfung für diese anspruchsvolle Aufgabe ablegen sollte.

Wie stehen Sie zur Entbürokratisierung?

Dem stehen wir absolut positiv gegenüber – aber nicht unter der Prämisse, dass dem Unterlaufen des Gesetzes Tür und Tor geöffnet wird. Wir haben selbst einige der vom Gesetzgeber in Goslar vorgebrachten und beschlossenen Punkte in die Reform eingebracht.  Wir können uns sehr viele Optimierungen vorstellen; dazu konnten wir uns aber noch nicht mit dem Gesetzgeber abschließend verständigen.

Der Tagesnachweis sollte Ihrer Ansicht nach bleiben?

Wir kennen die vom Gesetzgeber angedachte Alternative nicht. Wir haben signifikante Verbesserungsvorschläge vorgestellt und sind zu weiteren Verbesserungen immer bereit. Aber ein Fahrlehrer, der dauerhaft deutlich länger als zehn Stunden schult, kann keine ordentliche, konzentrierte Ausbildung mehr gewährleisten.

Und wie ist es gelaufen mit den Fahrerlaubnisklassen als Zugangsvoraussetzung für den Fahrlehrerberuf?

In Goslar gab es Fachvorträge von Experten, die vom Gesetzgeber bestimmt werden. Nachdem vonseiten des Gesetzgebers bislang kein Zweifel daran gelassen wurde, dass A und CE vollständig wegfallen sollen, wurde hier als Kompromiss die Zugangsvoraussetzung A1 und C oder A1 und D vorgeschlagen. Dem haben wir uns angeschlossen.

Wie geht es jetzt weiter?

Goslar hat klar gezeigt, dass der Berufsstand stark für seine Interessen eintritt. Wir hoffen nun endlich auf offene und konstruktive Verhandlungen mit dem Gesetzgeber, um eine echte, positive Reform des Fahrlehrerrechts auf den Weg zu bringen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte „Fahrschule“-Chefredakteurin Sylke Bub

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