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Zwölf Monate sind nicht genug

04.05.2016 12:28 Uhr
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gab in Erlangen Details zur Reform des Fahrlehrerrechts bekannt
© Foto: Thomas Cyganek

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprach bei der Mitgliederversammlung der bayerischen Fahrlehrer am 15. April in Erlangen über den aktuellen Stand der Fahrlehrerrechtsreform. Was er ankündigte, stieß bisweilen auf scharfe Kritik.

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Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sprach bei der Mitgliederversammlung der bayerischen Fahrlehrer am 15. April in Erlangen über den aktuellen Stand der Fahrlehrerrechtsreform. Was er ankündigte, stieß bisweilen auf scharfe Kritik.

Beim Thema Verlängerung der Ausbildungsdauer sei noch nichts endgültig entschieden, aber es zeichne sich für die Klassen B/BE eine Dauer von „mindestens zwölf Monaten“ ab, sagte Hermann. Diese sei nach wissenschaftlicher Einschätzung notwendig, „aber auch ausreichend“. Die Klassen A und CE als Zugangsvoraussetzungen zum Fahrlehrerberuf werden seiner Ansicht nach entfallen. Aber um die Eignung von angehenden Fahrlehrern zu überprüfen, sei angedacht, „beim Erwerb der Fahrlehrererlaubnis die Eignungsvoraussetzungen neu vorzugeben. Darüber sei noch im Einzelnen zu reden.

Zweigstellenbeschränkung soll entfallen

Beim Thema Zweigstellenbeschränkung sollen „bisher bestehende Beschränkungen entfallen“, sagte Herrmann. Es gehe darum, den Berufszugang attraktiver zu machen, um dem Nachwuchs den Weg zu bereiten. Bei der Fahrschulüberwachung kündigte der Minister an, der Bund werde einen gesetzlichen Rahmen vorgeben,  der „durch die Länder speziell ausgefüllt werden kann“. Das lasse sich „nicht völlig kostenneutral“ bewerkstelligen. „Wir müssen mit zusätzlichen, aber überschaubaren Kosten rechnen“, sagte Herrmann.

„An oberster Stelle stehen die Verkehrssicherheit sowie das Leben junger Menschen“, erwiderte der Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Fahrlehrer, Dr. Walter Weißmann, auf Herrmanns Ausführungen. „Wenn wir unserer Verantwortung der Jugend gegenüber gerecht werden wollen, dürfen wir die Entscheidung, ob A2 und CE als Zugang zum Fahrlehrerberuf bestehen bleiben, nicht von der Kostenfrage abhängig machen, sondern von den Fragen der Verkehrssicherheit.“ Deshalb sei es nicht ausreichend, dass ein Fahrlehrer-Anwärter nur noch den Pkw-Führerschein brauche.

Gravierende Änderungen bei Verkehr und Technik

Die eh schon zu kurze Dauer der Fahrlehrer-Ausbildung lediglich um einen Monat zu verlängern, werde den enorm gestiegenen Anforderungen an den Beruf „bei weitem nicht gerecht“, mahnte Weißmann und erntete dafür den Beifall der Versammlung. Denn die Verkehrsverhältnisse und die Technik der Fahrzeuge hätten sich gravierend geändert. Fahrlehrer müssten sich mit neuen Inhalten wie Digitalisierung und Automatisierung auseinandersetzen. Dazu würden auch Fragen der Verkehrsethik und der Erwachsenenbildung gehören. „Das fehlt im neuen Konzept der Fahrlehrer-Ausbildung gänzlich“, sagte er.

BVF-Vorsitzender Gerhard von Bressensdorf kritisierte den Wegfall der Filialbeschränkung mit scharfen Worten: Das sei „eine Katastrophe für den mittelständischen Berufsstand der Fahrlehrerschaft“, denn  ohne Begrenzung würde man große Konzerne auf den Plan rufen, warnte er Herrmann. Diese seien nicht an Verkehrssicherheit interessiert, sondern daran, Kunden für ihre Hauptgeschäftsfelder zu gewinnen.

Audi Road Guide neu aufgelegt

Die Jahreshauptversammlung in der Heinrich-Lades-Halle hatte zuvor mit dem internen Teil begonnen. Bernd Nentwig von Hauptaussteller Audi stellte Produktneuheiten und Fahrschul-Aktionen seines Unternehmens vor. Unter anderem präsentierte er den neuen Audi A4, den neuen

Audi A4 allroad quattro, der seit Kurzem mit Fahrschulausstattung ab Werk bestellbar ist sowie den Audi A3 Sportback, der eine Produktaufwertung erfahren hat. Der Audi-Vertreter hoffte zudem, dass der neue Audi Q2 ein „Fahrschulrenner“ wird: Das Fahrzeug ist mit jeweils drei Benzin- und TDI-Motoren (160 bis 190 PS), Sechsgangschaltgetriebe und Fahrschulausstattung ab Markteinführung erhältlich. Der Audi Q2 ist ab August bestellbar.

Nentwig stellte außerdem den neu aufgelegten Audi Road Guide (früher: „Ich will Audi fahren“) vor, den Fahrlehrer kostenfrei bei ihrem Audi-Partner bestellen und an ihre Fahrschüler verteilen können.  Er empfahl außerdem die Fahrschulaktionen seines Hauses, unter anderem die Sondermaßnahme „Wir starten mit Audi“, das Paket Wartung und Verschleiß für 9,99 Euro pro Monat sowie die kostenfreie Selbstabholung für Fahrschulen und angestellte Fahrlehrer.

Andreas Anft blickte auf das Geschäftsjahr der Fahrlehrerversicherung (FLV) zurück: Die FV hatte im vergangenen Jahr 79.604 Kunden (2014: 79.633) und nahm 65.1 Millionen Euro über die Beiträge ein (2014: 62.9). 19.601 Kfz-Schäden waren zu verzeichnen (2014: 18.917). Ein neuer Baustein im FLV-Portfolio ist der sogenannte Fahrerschutz, teilte der Vorstandsvorsitzende mit. Für 29,90 Euro pro Jahr ersetzt die FLV den unfallbedingen Personenschaden des Fahrers, falls dieser durch einen Unfall beim Lenken des versicherten Fahrzeugs zu Schaden kommt. Der Besondere dabei ist, dass dieser Schutz laut Anft auch für den ausbildenden Fahrlehrer gilt, der während einer Ausbildungs- oder Prüfungsfahrt auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat.

Ausbildungszahlen steigen

In seinem Geschäftsbericht stellte Weißmann eine rückläufige Tendenz bei bayerischen Fahrschulen fest. 1.223 Fahrschulinhaber gab es 2015 im Freistaat. Das sind 34 weniger als im Vorjahr (1.257 Fahrschulen). Die  Schülerzahlen steigerten sich 2015 dagegen um 3,6 Prozent, was mehr als 7.000 Ausbildungen entspricht - knapp 40 Prozent davon gehen auf das Konto der Klasse A. Erstmals seit 2004 wurden mehr als 35.000 Bewerber in A1, A2 und A zur Prüfung vorgestellt. Das macht insgesamt 35.271 (2015) Zweiradausbildungen.

Weißmann berichtete anschließend über die Aktivitäten seines Verbandes. So wurde unter anderem das Thema Ellenator bei der BVF eingebracht und die Fahrlehrerrechtsreform auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag kritisch begleitet. Besonders wies der Vorsitzende auf die Kooperation mit der Aktion Knochenmarkspende Bayern (AKB) hin und rief zur Stammzellenspende zugunsten junger leukämiekranker Menschen auf. „Fahrschulen haben viel Kontakt zu jungen Menschen“, sagte Weißmann. „Die Fahrlehrerschaft kann damit demonstrieren, dass ihnen die Gesundheit junger Menschen wichtig ist – und somit wichtige Öffentlichkeitsarbeit für den Berufsstand leisten.“ Die bayerischen Kreisvorsitzenden hätten dazu bereits Flyer erhalten. Wer wollte, konnte sich in einem Zimmer neben der Fachausstellung typisieren lassen.

Einstimmige Entlastung

Zum Abschluss seines Geschäftsberichts warf Weißmann einen nachdenklichen Blick auf die Entwicklung der 17-Jährigen in Bayern: 2019 werde es zehn Prozent weniger als jetzt geben, prognostizierte er - und 2023 gar 20 Prozent weniger. „2019 werden deshalb 14.000 Ausbildungen fehlen, das entspricht 235 Mal der Jahresarbeit eines Fahrlehrers“, folgerte er. 2023 seien es nochmal 8.731 Ausbildungen weniger. Insgesamt werde es dann 380 Mal weniger Fahrlehrer-Arbeit geben. In diesem Zusammenhang wisse zudem niemand, wie es mit den Flüchtlingen in Deutschland weitergehe, „dabei müssen diese Überlegungen miteinbezogen werden, um den Fahrlehrer-Beruf weiterzuentwickeln“, sagte Weißmann.

Nach Weißmanns Geschäftsbericht entlasteten die Mitglieder einstimmig den Vorstand und bestätigten dessen Vorsitzende Sigfried Winter, Georg Meier und Ingo Jeray turnusmäßig in ihren Ämtern. Die Versammlung votierte außerdem einstimmig dafür, die Regionen Oberland und Miesbach zusammenzulegen, um den administrativen Aufwand zu verringern. Manfred Hacker, der 20 Jahre lang als Rechtsanwalt für den Verband gearbeitet hatte, und Hans Peter Neppel vom TÜV Süd wurden offiziell verabschiedet und zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Ludwig Atzenhofer 70 Jahre Verbandsmitglied

Im offiziellen Teil der Mitgliederversammlung bat Jürgen Wolz vom TÜV Süd zunächst um Nachsicht für Wartezeiten und Unannehmlichkeiten bei Prüfungen – Ärgernisse, die in den vergangenen Wochen und Monaten durch gewerkschaftliche  Warnstreiks verursacht wurden. Er erinnerte dann an die „neue, zeitgemäße Hardware“, die für Theorie-Prüfungen angeschafft wurde: Die sogenannten Pokinis würden bewegte Bilder ruckel- und verzögerungsfrei wiedergeben.  Beim Online-Service für die praktische Prüfung und beim Inkasso gibt es laut Wolz dagegen noch Schwierigkeiten, da das neue System „noch nicht so weit wie gewünscht“ funktioniere. Ab 1. Januar 2017 soll der Online-Service Praxis und Inkasso dann laufen.

Im Anschluss wurde Ludwig Atzenhofer für 70-jährige Mitgliedschaft im Landesverband Bayerischer Fahrlehrer geehrt.  Der 94-Jährige, der schon im Herbst 1945 gemeinsam mit anderen Kollegen begonnen hatte, den Verband wiederaufzubauen, war 24 Jahre lang Bezirksvorsitzender der Münchener Fahrlehrer und von 1971 bis 1981 stellvertretender Vorsitzender der bayerischen Landesverbands. „Wer was über alte Fahrlehrer-Zeiten wissen will, muss sich an Ludwig wenden“, sagte Weißmann in seiner Laudatio und dankte Atzenhofer für sein stetes Engagement.

Spagat zum modernen Fahrzeug

BVF-Vorsitzender Gerhard von Bressensdorf nahm zum Ende der Veranstaltung eine Bestandsaufnahme des Fahrlehrerberufs vor: „Sind unsere beruflichen Grundlage zukunftsfähig?“, lautete das Thema seines Vortrags, in dem er aktuelle Probleme des Berufsstands analysierte.   

Von Bressensdorf kritisierte zunächst, dass es keine verlässlichen Angaben zu Anzahl, Alter und Ausbildungsklassen der Fahrlehrer in Deutschland gebe: „Wie viele üben den Beruf noch aus? Wie viele sind nur noch Papierfahrlehrer? Ich kann es Ihnen nicht sagen“, sagte er. So könne man kaum zukunftsgesichert Nachwuchs schaffen.

Beim Thema automatisiertes Fahren rief er die Fahrlehrer auf, diesen Weg aktiv zu begleiten anstatt dadurch die eigene berufliche Existenz gefährdet zu sehen. Denn: „Dies ist ein längerer Weg als prophezeit wird.“ Insbesondere die Fahrerassistenzsysteme seien ein Thema, dem man sich noch „viel intensiver“ annehmen müsse. Die Fahrlehrer gäben Schulungspotenzial ungenützt ab,  wenn junge Fahrer nicht einmal Tempomat oder ACC bedienen könnten. „Wir müssen den Spagat schaffen von der ‚Seifenkisten‘ hin zum hochmodernen Fahrzeug“, sagte von Bressensdorf.

Kürzen, aber mit Augenmaß

Entbürokratisierung ja, aber nicht um jeden Preis – und ohne Mogelpackung, lautete von Bressensdorf Meinung zur Abschaffung von Tagesnachweis oder Berichtsheft. „Schnell ist etwas abgeschafft, aber wenn es weg ist, ist es die nächsten zehn Jahre nicht mehr zu bekommen“, warnte er. Er wolle das „Quäntchen Sicherheit“ erhalten, das man noch habe, um im Wettbewerb nicht unterzugehen. „Ich bin der Meinung: kürzen – aber mit Augenmaß.“

Es sei deshalb auch „bitter notwendig“, einen bundeseinheitlichen rechtlichen Rahmen für Kooperationen, Überwachung und Sanktionen von Fahrschulen  zu schaffen, forderte von Bressensdorf. Es gebe heute noch Fahrschulen, die nicht ein einziges Mal überwacht worden seien. „Das ist eine zum Himmel stinkende Ungerechtigkeit“, polterte er. Das sei eine Wettbewerbsverzerrung, hinter der sich die wenigen schwarzen Schafe verstecken könnten. Fahrschulausbildung sei nicht billig, aber ihr Geld wert. „Ich möchte, dass für das Geld optimale Ausbildung geleistet wird  – und dafür brauchen wir die Qualitätssicherung, die dringend notwendig ist“, sagte von Bressensdorf.

„Unsere Politik ist es, das Richtige zu bewahren, das Machbare umzusetzen und die Politik für Änderungen zu gewinnen“, zog von Bressensdorf sein Fazit. „Sind unsere beruflichen Grundlagen also zukunftsfähig?“, fragte er mit Blick auf die Fahrlehrerrechtsreform. Seine abwartende Antwort: „Noch nicht.“

Simulator kann Fahrlehrer nicht ersetzen

Wie in Bayern üblich fand am Vortag der Veranstaltung eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Simulator – Pro und Kontra“ statt, bei der Experten von Polizei und Luftfahrt mit den Fahrlehrern über Sinn und Zweck eines Simulatoreinsatzes in der Fahrschule diskutierten.

Jürgen Pfaffenzeller, Erster Polizeihauptkommissar aus Sulzbach-Rosenberg, gilt als „Vater des Simulators“ bei der Bayerischen Polizei. Er berichtete zunächst über die virtuelle Fahrausbildung der Beamten. Aufgrund der gefährlichen Situationen, die vor allem bei Blaulichtfahrten entstünden, müssten sich junge Polizeischüler zwischen 18 und 22 Jahren, die noch keine Fahrerfahrung haben, mit dem Thema Simulator befassen. „Bei lautem Tatütata und Blaulicht läuft schon mal der Schweiß“, sagte Pfaffenzeller. Um zum Beispiel dem Druck an einer Kreuzung mit roter Ampel gewachsen zu sein, würden die Polizeischüler am Simulator üben – das sei im Echtverkehr nicht möglich. Pfaffenzeller zog ein ausgesprochen positives Simulator-Resümee. Es gebe einen klaren Lernerfolg, der durch den Rückgang von Unfällen und falschen Verhaltensweisen belegbar sei.

Uwe Marx, Diplom-Pädagoge und Flugkapitän, sprach über Simulationen in der Luftfahrt. Simulationssysteme seien geeignet, um Fähigkeiten und Kompetenzen in komplexen Situationen zu erwerben. Man spare Kosten, könne Risiken ausschalten und Fehler korrigieren. „Aber wann und wo ist eine Simulation sinnvoll?“, fragte Marx – und gab eine klare Antwort: „Wenn ein großes Kosten- und Gefahrenrisiko besteht, ist es sinnvoll, Simulatoren zu nutzen.“

Die Fahrlehrer in Erlangen waren nun an der Reihe, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Der Simulator sei als Unterstützung am Beginn der Ausbildung gut geeignet, wenn es um grundsätzliche Fahraufgaben wie Lenken, Schalten und Bremsen gehe, lautete schließlich der Tenor der Gesprächsrunde. Eine Ausbildung könne er jedoch nicht ersetzen – diese sei nach wie vor Sache des Fahrlehrers.

(tc)


Mitgliederversammlung Bayern 2016

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