Im verhandelten Fall fuhr ein Mann mit seinem Auto über eine Rampe in ein Parkhaus. Diese Spur kreuzte eine Gasse. Von dort kam ein anderes Auto und stieß mit dem ersten zusammen. Der Einfahrende verlangte vollen Schadenersatz vom anderen. Dieser habe die „Rechts-vor-links“-Regelung nicht berücksichtigt und den Unfall verursacht, erklärte der Autofahrer.
Die Versicherung des Unfallgegners wollte allerdings nur die Hälfte zahlen. Sie war der Ansicht, dass in dem Parkhaus das Gebot der Rücksichtnahme gegolten hätte. Weil sich die beiden streitenden Parteien nicht einigen konnten, ging die Sache vor Gericht.
Ruhender Verkehr oder Straßencharakter?
Das Oberlandesgericht München befasste sich mit dem Fall und gab schlussendlich der Versicherung Recht. In der Urteilsbegründung heißt es, dass die Vorfahrtsregel des Paragrafen 8 der Straßenverkehrsordnung (StVO) – also „rechts vor links“ – zwar auch in einem öffentlichen Parkhaus gelten könne, dies aber letztlich davon abhänge, ob die Fahrspuren dem sogenannten ruhenden Verkehr, also dem Suchverkehr, dienen oder ob sie auch Straßencharakter haben.
Die Fahrgasse des Autofahrers im Parkhaus diente nach Ansicht des Gerichts dem Rangierverkehr. Und auch die Rampe war nicht Teil des Fließverkehrs, denn an deren Ende und im Kreuzungsbereich befanden sich bereits Stellflächen. Daher hätte der Autofahrer stets mit Suchverkehr rechnen müssen. Beide Unfallbeteiligte müssen sich demnach die Schuld teilen.
Oberlandesgericht München
Aktenzeichen 10 U 6767/19